Göttinger Forscher haben geklärt, wie das Gehirn sich gleichzeitig auf verschiedene Objekte konzentrieren kann, ohne sich von unwichtigen Informationen ablenken zu lassen.

Göttinger Forscher haben geklärt, wie das Gehirn sich gleichzeitig auf verschiedene Objekte konzentrieren kann, ohne sich von unwichtigen Informationen ablenken zu lassen.

Xavi spielt den Ball zu Andrès Iniesta, der lässt ihn einmal präzise prallen und gleich ist das Leder bei Xabi Alonso. Als wären sie Ballmagneten kreiseln die Mittelfeldspieler der spanischen Fußballnationalmannschaft über das Spielfeld, immer den Ball und die Mitspieler im Blick. Die Gegner rasen wie hilflose Statisten hinterher. Göttinger Neurowissenschaftler haben herausgefunden, wie das menschliche Gehirn durch die Verteilung von visueller Aufmerksamkeit zum Beispiel diesen „Tiki-Taka“-Fußball der spanischen Europameister möglich macht.

Visuelle Aufmerksamkeit nennen Wissenschaftler die Fähigkeit, sich auf Sinnesinformationen zu konzentrieren, die für unsere Handlungen wichtig sind. Oft gibt es aber mehrere Dinge, die wir gleichzeitig beachten müssen, wie die Europameister aus Spanien bei ihrem Kurzpass-Spiel eben Ball und Mitspieler. Wie dies gelingt, auch wenn unwichtige Objekte uns ablenken könnten, war bislang unklar. Ein Wissenschaftlerteam um Stefan Treue vom Deutschen Primatenzentrum (DPZ) in Göttingen hat zusammen mit Kollegen der McGill Universität in Montreal in einer Studie an Rhesusaffen herausgefunden: Das Gehirn ist in der Lage, Aufmerksamkeit quasi als Doppelscheinwerfer einzusetzen, die gleichzeitig einzelne Spots auf die relevanten Objekte legen und die unwichtigen im Dunkeln lassen (Neuron, 10.1016/j.neuron.2011.10.013).

Wenn wir ein Objekt beachten, so sind die Nervenzellen im Gehirn aktiv, die für diesen Teil des Gesichtsfelds zuständig sind. Manchmal müssen wir uns jedoch gleichzeitig auf mehrere Gegenstände an verschiedenen Raumpositionen konzentrieren, zwischen denen sich zudem oft noch für uns irrelevante Dinge befinden. Es existierten verschiedene wissenschaftliche Theorien, wie dies funktionieren könnte. Es könnte sein, dass sich der Aufmerksamkeitsfokus räumlich teilt und die Störfaktoren dazwischen ausblendet. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der „Scheinwerfer der Aufmerksamkeit“ sich so breit auffächert, dass er alle relevanten Objekte erfasst, aber auch die unwichtigen Dinge dazwischen. Denkbar wäre auch, dass der Aufmerksamkeitsscheinwerfer sehr schnell zwischen den verschiedenen beachteten Objekten hin und her wechselt.

Um zu erklären, wie unser Gehirn mit dieser schwierigen Situation umgeht, haben die DPZ-Forscher und ihre kanadischen Kollegen die Aktivität einzelner Nervenzellen im für das Sehen zuständigen Teil des Gehirns gemessen. Die Untersuchungen fanden an zwei auf eine Sehaufgabe trainierten Rhesusaffen statt. Die Tiere hatten erfolgreich gelernt, auf einem Monitor zwei für sie wichtige Objekte zu beachten, zwischen denen sich ein unwichtiger Störreiz befand. Es zeigte sich, dass die Nervenzellen der Affen auf die beiden beachteten Objekte verstärkt reagierten und das Störsignal nur ein schwache Reaktion auslöste. Das Gehirn kann also die visuelle Aufmerksamkeit räumlich aufspalten und dazwischen liegende Bereiche ignorieren. „Unsere Ergebnisse zeigen die große Anpassungsfähigkeit des Gehirns, die es uns ermöglicht, mit vielen verschiedenen Situationen optimal umzugehen. Dieses Multi-Tasking erlaubt es uns gleichzeitig mehrere Dinge zu beachten“, sagte Stefan Treue, Leiter der Abteilung Kognitive Neurowissenschaften am Deutschen Primatenzentrum. Die Flexibilität unseres Aufmerksamkeitssystems ist also eine Voraussetzung dafür, dass Menschen zu fast unfehlbaren Fußballartisten werden können, aber auch dafür, dass wir uns sicher im Straßenverkehr bewegen können.

Originalpublikation

Robert Niebergall, Paul S. Khayat, Stefan Treue, Julio C. Martinez- Trujillo (2011): Multifocal attention filters out targets from distractors within and beyond primate MT neurons receptive field boundaries. Neuron, Volume 72, Issue 6, 1067-1079, 22 December 2011. doi: 10.1016/j.neuron.2011.10.013

Quelle: Göttingen [ Leibniz-Institut für Primatenforschun ]

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