(DLG). Über Geschmack lässt sich nicht streiten, wenn alle dieselbe Sprache sprechen. Deshalb müssen sinnliche Wahrnehmungen in eine verbale und non-verbale Sprache übersetzt werden, die allen als Kommunikationsbasis dient. Wie das in der Praxis gelingen kann, verdeutlichte der Lebensmitteltag Sensorik der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft)...

(DLG). Über Geschmack lässt sich nicht streiten, wenn alle dieselbe Sprache sprechen. Deshalb müssen sinnliche Wahrnehmungen in eine verbale und non-verbale Sprache übersetzt werden, die allen als Kommunikationsbasis dient. Wie das in der Praxis gelingen kann, verdeutlichte der Lebensmitteltag Sensorik der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft). Im hessischen Kronberg diskutierten rund 100 Experten aus den Bereichen Lebensmittelsensorik, Produktentwicklung, Qualitätsmanagement und Marketing unter dem Leitthema „Es liegt mir auf der Zunge“. Erstmals konnte durch interaktive Elemente theoretisches Wissen in sensorischen Verkostungen praktisch trainiert werden.

Im Unternehmen muss die sensorische Kommunikation, das heißt der Austausch über Methoden, Projekte oder Produktprofile, bereichsübergreifend funktionieren, damit vom Produktentwickler bis zum Marketing-Experten alle dieselbe Sprache sprechen. Dass die Praxis anders aussieht, schilderte Lebensmitteltechnikerin und Sensorikbeauftragte Bettina Krämer (Bodenbach/Eifel). Das Hauptproblem sieht sie darin, dass „Sensorik von anderen Abteilungen häufig unterschätzt wird“. Die Aufnahme der Lebensmittelsensorik in verschiedene Foodstandards, wie etwa IFS Food, BRC oder ISO 22000, wird den Stellenwert in den Unternehmen erhöhen. Denn damit ist sie fester Bestandteil der Lebensmittelanalytik. Dies gelte es zu nutzen. Zwingend erforderlich ist nach Aussage der Referentin ein firmeninternes Sensorikhandbuch, das unternehmensspezifisches Vokabular erarbeitet, definiert und mit Referenzen belegt. Damit werden Sinnesempfindungen in Form eines „sensorischen Fingerprints“ als Bestandteil der Rezepturen in reproduzierbarer Form dokumentiert. Professionelles Wording impliziere eine entsprechende Methodik zur Erfassung und Auswertung objektiver und subjektiver sensorischer Daten.

Schnellmethoden
Zu den analytischen Testverfahren zählen neben den Unterschiedsprüfungen auch die beschreibenden oder deskriptiven sensorischen Prüfungen. Sie sollen nach den Worten von Dr. Eva Derndorfer, Sensorikexpertin, Beraterin und Lehrbeauftragte aus Wien, die menschlichen Wahrnehmungen und Empfindungen beim Lebensmittelkonsum erfassen und messen. Im Trend liegen Schnellmethoden bzw. Kurzzeitverfahren, bei denen Konsumenten direkt die vorgestellten Produkte beschreiben und im selben Test hedonische Bewertungen durchführen müssen, wie z. B. bei CATA (= check all that apply). Schnellmethoden reduzieren den zeitlichen und finanziellen Aufwand eines deskriptiven Panels deutlich und sind deshalb besonders für kleinere Unternehmen geeignet. Die Ergebnisse seien zwar ungenauer, für viele Fragestellungen aber ausreichend. Die unmittelbare Einbindung der Wahrnehmungen und Präferenzen der prüfenden Konsumenten erweise sich als vorteilhaft, denn diese Erkenntnisse stellten im wirtschaftlichen Wettbewerb entscheidungsrelevante Informationen über Produkte und ihre sensorische Qualität zur Verfügung. Dass für Ähnlichkeitsmethoden, wie etwa Sorting, auch untrainierte Testpersonen herangezogen werden können, zeigte eine praktische Übung, bei der alle Teilnehmer dunkle Schokolade nach geschmacklicher Ähnlichkeit sortieren sollten.

Brot ist Kult
Als Botschafter des guten Geschmacks präsentierte sich Jörg Schmid, Brot-Sommelier und Geschäftsführer der Bäckerei Schmid in Gomaringen. Er veranschaulichte, wie fachliche Expertise und Sensory-Marketing zu einer gelungenen Verbraucheransprache genutzt werden können.  Um Broten eine neue Wertigkeit zu geben, beschreitet der Bäckermeister in vierter Generation unkonventionelle Wege. Nicht nur, dass er konsequent von Fachgeschäften statt Filialen spricht und von Kollektion statt Sortimenten bzw. Spezialitäten statt Produkten. Er vermag seine Begeisterung für Brot auch in eine blumige, sensorische Sprache umzusetzen, die der des Weines in nichts nachsteht. Geärgert hat sich das Mitglied der deutschen Bäckernationalmannschaft schon immer darüber, dass im Gegensatz zum Rebsaft, Brote immer nur als „gut oder lecker“ bzw. „als passende Unterlage“ bezeichnet werden. Genau das motivierte ihn, sich berufsbegleitend zum Brotsommelier ausbilden zu lassen. Food Pairing liegt dem medienerfahrenen Schwaben besonders am Herzen. Er weiß genau, welches Aromaprofil zu welcher Brotsorte passt. Seine Kunden schätzen diese Expertise und kaufen bei ihm den passenden Wein zum Brot.
 
Sensorisches Weinbild
Dass sensorische Eindrücke auch non-verbal eindeutig wiedergegeben werden können, demonstrierte Martin Darting, Sommelierausbilder IHK, Wachenheim, mit seinen „sensorischen Weinbildern“. Jeder Empfindung, die ein bestimmter (Wein)Inhaltsstoff auslöst, kann eine entsprechende Farb- und Formkombination zugeordnet werden.  Auf die Frage: „Welche Farbe hat Süße“ antworten die meisten Menschen mit gelb bis rot; säuerlicher Geschmack wird mit gelb bis grün und bitter schmeckende Stoffe werden mit braun beschrieben. Süßer Geschmack wird als rund oder weich und säuerlicher Geschmack als spitz oder kantig bezeichnet. Diese Assoziationen werden laut Darting von allen Menschen sehr ähnlich erlebt. Sie entstehen vermutlich durch eine parallele Mehrfachreizung unterschiedlicher Hirngebiete und sorgen für stereotype Farb-Form-Geschmack-Geruch Assoziationen. Diese Ähnlichkeit in der Wahrnehmung dient als Grundlage für die Farb- und Formgestaltung der sensorischen Weinbilder. Ordnet man allen gustatorischen, olfaktorischen und haptischen Empfindungen systematisch bestimmte Farben und Formen zu und berücksichtigt deren Dynamik, erhält man den Schlüssel, um ein sensorisches Weinbild zu gestalten. Die Methode erlaubt selbst bei sensorisch ungeschulten „Weintrinkern“ eine Wiedererkennungsquote von bis zu 80 %.  „Gefällt jemandem das Bild, schmeckt auch der Wein dazu“, so Darting, der statt klassischer Weinverkostung deshalb auch gerne zu einer „Vinissage“ einlädt. Auch als Weinetikett eignen sich seinen Worten zufolge die sensorischen Bilder. „Denn dadurch entsteht ein intuitiver und emotionaler Zugang zum Inhalt“. Sensorische Bilder lassen sich auch von anderen Lebensmitteln erstellen, wie etwa Fleisch- und Backwaren oder Speiseölen.
 
Prof. Dr. Dipayan Biswas, University of South Florida, verdeutlichte anhand zahlreicher Projekte die immer größere Bedeutung des Sensory-Brandings bzw.-Marketigns und des multisensuellen Produkt-Designs. Duftmarketing hat seinen Worten zufolge einen großen Einfluss auf die Kauf- und Konsumentscheidung der Verbraucher sowohl im Handel als auch in der Gastronomie.
 
Verleihung des DLG-Sensorik Awards
Im Rahmen des DLG-Lebensmitteltags Sensorik wurde auch der „DLG-Sensorik Award 2017“ an Tarek Butt (HAW Hamburg) verliehen, der sich mit methodischen sensorischen Fragestellungen bei Speiseölen beschäftigte. Mit dem Sensorik Award, der jährlich vergeben wird, fördert die DLG außergewöhnliches, wissenschaftliches Engagement im Bereich der Lebensmittelsensorik. Neben der wissenschaftlichen Qualität zeichnet sich Butts Forschungsarbeit durch einen hohen, praktischen Nutzen für die Lebensmittelwirtschaft aus.

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Referenten und Moderator des DLG-Lebensmitteltags Sensorik 2017 (v.l.n.r.): Jörg Schmid, Dr. Eva Derndorfer, Bettina Krämer, Prof. Dr. Jörg Meier (Moderator), Prof. Dr.  Dipayan Biswas.

Quelle: DLG

 

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