Personal Computer, Online-News, E-Books, und Low Cost Airlines: Dies sind nur einige Beispiele für bahnbrechende – so genannte „diskontinuierliche“ – Innovationen, die zu ihrer Zeit dem bestehenden Geschäftsverständnis grundsätzlich zu widersprechen schienen und damit ganze Märkte durcheinander wirbelten. Wovon aber hängt es ab, ob ein etabliertes Unternehmen sich auf eine diskontinuierliche Technologie einlässt oder nicht? In einer Studie untersuchten Wolf-Christian Gerstner und Andreas König (beide FAU Erlangen-Nürnberg) sowie Albrecht Enders (IMD, Lausanne) und Donald C. Hambrick (Pennsylvania State University) mögliche Faktoren am Beispiel der Reaktion traditioneller Pharmaunternehmen auf die Biotechnologie zwischen 1980 und 2008. Das Ergebnis: Mehr als bislang angenommen hängt die Entscheidung für oder gegen Investitionen in eine diskontinuierliche Technologie von der Persönlichkeit des Vorstandschefs und seinem Ego ab.
Je narzisstischer ein Vorstandschef, umso höher seine Bereitschaft, in seinem oder ihrem Unternehmen neue Technologien einzuführen – insbesondere wenn diese Innovationen von der Öffentlichkeit als „heilsbringend“, aber risikoreich wahrgenommen werden. Diesen Zusammenhang konnten Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) erstmals in einer gemeinsam mit dem IMD in Lausanne und der Pennsylvania State University durchgeführten Studie nachweisen. Ihre Erkenntnisse werden in Kürze in der renommierten Fachzeitschrift Administrative Science Quarterly veröffentlicht.Personal Computer, Online-News, E-Books, und Low Cost Airlines: Dies sind nur einige Beispiele für bahnbrechende – so genannte „diskontinuierliche“ – Innovationen, die zu ihrer Zeit dem bestehenden Geschäftsverständnis grundsätzlich zu widersprechen schienen und damit ganze Märkte durcheinander wirbelten. Wovon aber hängt es ab, ob ein etabliertes Unternehmen sich auf eine diskontinuierliche Technologie einlässt oder nicht? In einer Studie untersuchten Wolf-Christian Gerstner und Andreas König (beide FAU Erlangen-Nürnberg) sowie Albrecht Enders (IMD, Lausanne) und Donald C. Hambrick (Pennsylvania State University) mögliche Faktoren am Beispiel der Reaktion traditioneller Pharmaunternehmen auf die Biotechnologie zwischen 1980 und 2008. Das Ergebnis: Mehr als bislang angenommen hängt die Entscheidung für oder gegen Investitionen in eine diskontinuierliche Technologie von der Persönlichkeit des Vorstandschefs und seinem Ego ab.
Eine Erkenntnis, die so manche Unternehmensentscheidung auch in der Retrospektive in einem anderen Licht erscheinen lässt. „Wir konnten feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Unternehmen in diskontinuierliche Technologien investiert, umso höher ist, je narzisstischer der jeweilige CEO ist“, sagt Andreas König. „Die Pharmaunternehmen, die von besonders selbstverliebten CEOs geleitet wurden, haben mehr als doppelt so häufig Biotech-Initiativen im Rahmen von Akquisitionen, Allianzen oder internen Forschungsprojekten durchgeführt als die Unternehmen, die von weniger narzisstischen CEO geführt wurden.“
Fünf zentrale Charakteristika schreiben die Wissenschaftler Narzissten zu:
(1) Ein übersteigertes Selbstbewusstsein, welches jedoch (2) immer wieder durch Aufmerksamkeit bestätigt werden muss, (3) ein starkes Streben nach Dominanz, (4) mangelnden Willen, die Gefühlen anderer in eigene Entscheidungen zu integrieren und (5) eine gewissen Rastlosigkeit und Ungeduld. Bereits in früheren Forschungen war Ko-Autor Donald Hambrick dem Thema Narzissmus unter CEOs auf den Grund gegangen. Dabei war eine der Herausforderungen, Messgrößen für Narzissmus bei CEOs zu entwickeln: Da eine Erhebung über Fragebögen hier nicht erfolgversprechend war, galt es, ein Evaluationsmodell zu entwickeln, das sich auf Indikatoren stützt – etwa die Prominenz des Fotos eines CEO im Geschäftsbericht oder die relative Häufigkeit von Nennungen seines Namens in den Pressemitteilungen des jeweiligen Unternehmens. Dabei ließ sich eine hohe Konsistenz innerhalb der Betrachtung einer einzigen Person feststellen, während das Ergebnis im Vergleich mit dem Vorgänger oder Nachfolger des jeweiligen CEO deutlich abwich.
„Narzissmus ist eine außerordentlich interessante, weil ambivalente Persönlichkeitseigenschaft“, erläutert Wolf-Christian Gerstner. Gemeinsam mit Andreas König, Albrecht Enders und Donald Hambrick hat er die These entwickelt, erhöhter Narzissmus bei CEOs führe dazu, dass die von ihnen geleiteten Unternehmen neue Technologien eher adoptieren. „Narzissten glauben, solche Innovationen beherrschen zu können, während andere CEOs vor dem zu großen Risiko eher zurückschrecken“, so Gerstner. Zugleich gingen die Forscher davon aus, dass Technologien, denen eine bahnbrechende Wirkung zugeschrieben wird, viel größere Aufmerksamkeit von Seiten der Öffentlichkeit erfahren. Ein CEO kann also damit rechnen, dass er mehr Aufmerksamkeit erhält, wenn er in diskontinuierliche Technologien investiert, als wenn er denselben Pfaden folgt, die das Unternehmen schon immer ging. Auch dies fanden die Forscher bestätigt.
Ein weiterer zentraler Beitrag der Studie baut genau auf diesen Effekt auf. „Im Laufe unserer Studie haben wir beobachtet, wie sehr etwa die öffentliche Aufmerksamkeit für Biotechnologie – wie sie sich in den Medien widerspiegelt – über die Zeit schwankte“, berichtet Albrecht Enders. „Bei ihrem Aufkommen wurde die Technologie zunächst nicht besonders beachtet. Dann gab es Phasen großer, auf- und abschwellender öffentlicher Debatten, sowohl über die Chancen der Biotechnologie als auch über ihre wirtschaftlichen, medizinischen und sozialen Risiken. Heutzutage ist die Biotechnologie weitgehend aus der Diskussion verschwunden.“
Die Autoren untersuchten darauf hin, ob narzisstische CEOs vor allem in Phasen großer öffentlicher Aufmerksamkeit die Initiative ergreifen – mit eindeutigem Ergebnis: „Narzisstische CEOs haben augenscheinlich ein großes Gespür für Scheinwerferlicht. Wenn die Chance dafür besonders hoch ist – zum Beispiel in Zeiten, in denen die Presse viel über eine Technologie schreibt und sie als heilsbringend, zugleich aber auch als risikoreich beschreibt –, dann investieren narzisstische CEOs mit einer noch höheren Wahrscheinlichkeit in solche Diskontinuitäten als ohnehin schon“, beschreibt Andreas König eines der Kernergebnisse der Studie. „Der Einfluss der Öffentlichkeit auf unternehmerische Innovation – und insbesondere radikale Innovation: Das ist sicher eine der wichtigsten Erkenntnisse, die unsere Studie in die Organisationsforschung trägt. Wenn wir die Öffentlichkeit und ihre enorme Auswirkung auf unternehmerisches Handeln besser verstehen lernen, werden wir auch den wirtschaftlichen Erfolg bestimmter Technologien besser verstehen und vorhersagen können.“
Besonders wichtig ist den Autoren zudem, dass ihre Studie ein nuancierteres Bild narzisstischer Führungskräfte zeichnet. „Narzissten sind nicht bessere oder schlechtere CEOs“, so Wolf-Christian Gerstner: „Aber sie sind möglicherweise besser als ihr Ruf. Sie können dazu beitragen, organisationale Trägheit und Starre zu überwinden. Und für den Fall dass eine neue Technologie dem konventionellen Ansatz tatsächlich überlegen ist, kann ein narzisstischer CEO möglicherweise das Überleben eines Unternehmens bedeuten.“ Die entscheidende Herausforderung für die unternehmerische Praxis werde nun, so die Autoren, darin liegen, die negativen Facetten von Narzissten – wie zum Beispiel ihre mangelnde Kritikfähigkeit und Empathie – so gut wie möglich zu kontrollieren, um die positiven Seiten langfristig nutzen zu können.
Der Artikel „CEO Narcissism, Audience Engagement, and Organizational Adoption of Technological Discontinuities“ von Wolf-Christian Gerstner, Andreas König (beide FAU Erlangen-Nürnberg), Albrecht Enders (IMD, Lausanne) und Donald C. Hambrick (Pennsylvania State University) erscheint im Juni 2013 im Administrative Science Quarterly, der bedeutendsten Zeitschrift im Bereich der strategischen Organisationsforschung.
Quelle: Erlangen [ Friedrich-Alexander-Universität ]