Das wäre der falsche Ansatz. Denn ein Kunde, der sich beschwert, ist ja auch ein sehr engagierter Kunde. Er zeigt, dass ihm die Leistung, die er eingefordert und bezahlt hat, wirklich wichtig ist.
Wenn im Onlinehandel Kunden Rechnungen nicht bezahlen, kann auch Unzufriedenheit mit einer gelieferten Ware der Grund dafür sein. Hans-Jörg Giese, Experte für Internet-Kundenbeziehungen beim Credit Management-Spezialisten Intrum Justitia, erläutert, wie Onlinehändler reklamierende Kunden sogar langfristig an sich binden können.Herr Giese, Kundenbeschwerden sind für Onlinehändler ein echtes Ärgernis - oder?
Das wäre der falsche Ansatz. Denn ein Kunde, der sich beschwert, ist ja auch ein sehr engagierter Kunde. Er zeigt, dass ihm die Leistung, die er eingefordert und bezahlt hat, wirklich wichtig ist.
Ein Händler, der Beschwerden schnell und zufriedenstellend beantwortet, hat sogar die Chance, langfristige Kundenbindungen aufzubauen. Die Erfahrung zeigt: Vier Fünftel aller Kunden, die sich beschwert haben und deren Problem gelöst wurde, bleiben dem Unternehmen treu. Ein gutes Beschwerdemanagement spricht sich zudem herum und sorgt für ein gutes Image.
Ist es nicht besser, es erst gar nicht zu Beschwerden kommen zu lassen?
Da haben Sie natürlich Recht. Oberste Priorität muss es für jedes Unternehmen sein, optimale Produkte und Leistungen zu liefern. Aber sind Kunden wirklich zufrieden, nur weil sie sich nicht bei dem Unternehmen beschweren? Wie zum Beispiel verhält sich ein Verbraucher, dessen günstig im Onlineshop erworbener Wasserkocher nicht funktioniert oder dessen für den Muttertag bestellte Pralinen nicht geliefert werden? Den Wasserkocher kann man verärgert in den Küchenschrank stellen, und die Pralinen wird man vielleicht im Supermarkt besorgen und dann doch persönlich versenden. Der betroffene Onlineshop-Betreiber erfährt davon in der Regel nichts, denn der Kunde beschwert sich nicht, obwohl er unzufrieden ist.
Fakt ist: Den Weg der Reklamation wählen nur wenige Kunden. Grund für diese Zurückhaltung sind in den meisten Fällen Beschwerdehürden, die die Unternehmen - bewusst oder unbewusst - aufgebaut haben.
Was für Hürden sind das?
Zum einen wägen Verbraucher den Aufwand einer Beschwerde gegenüber dem Nutzen beziehungsweise den voraussichtlichen Erfolg ab. Also: Muss ich erst einen Beschwerdebrief schreiben, muss ich die Ware selbst wieder zurücksenden und bekomme ich dafür die Ware wieder zurück oder wird mir möglicherweise nur ein Teil des Kaufpreises ersetzt? Zum anderen spielen soziodemografische Faktoren eine Rolle wie Alter, Geschlecht, Bildung und Beruf sowie auch psychologische Voraussetzungen. Es leuchtet ein, dass sich eher solche Menschen beschweren, die Selbstverstrauen besitzen, als Meinungsführer fungieren und über fundierte Produktkenntnisse sowie einschlägige Informationen und Erfahrungen im Umgang mit Kontrahenten verfügen.
Wahr ist aber auch: Das Internet hat den Verbraucher mündiger gemacht. Der moderne Kunde von heute ist informierter, selbstbewusster und macht seine Ansprüche im Reklamationsfall deutlicher geltend. Zudem erwartet er einen guten, individuellen Kundenservice, er will von dem Verkäufer und den Produkten begeistert werden. Wie ich eben schon sagte: Für die Unternehmen ist das eine enorme Chance zur Kundenbindung.
Können Zahlungsverzögerungen nicht auch ein Hinweis auf Unzufriedenheit sein?
Aber ja! Unbezahlte Rechnungen sind auch ein Fall für das Beschwerdemanagement. Hierzu gehört, dass sich ein Unternehmen gezielt mit dem einzelnen Kunden auseinandersetzt und hinterfragt, warum ein Kunde seine Forderung nicht bezahlt, statt sofort die Rechnung anzumahnen. Das Ziel muss sein: "Löse das Problem, nicht die Schuldfrage."
Ist ein effizientes Beschwerdemanagement nicht teuer - gerade für kleinere Online-Anbieter?
Nein, denn ein gutes Beschwerdemanagement zahlt sich langfristig aus. Händler sollten immer den individuellen Kundenwert kennen und darauf die jeweilige Kundenansprache aufbauen. Kundenwertorientierte Modelle berücksichtigen die Bonität des Kunden, die Dauer der Kundenbeziehung, sein bisheriges Zahlungsverhalten sowie sein Umsatzvolumen. Kunden, die in betrügerischer Absicht handeln oder generell schlechter zahlen, lassen sich so schneller identifizieren und können ganz anders angesprochen werden als Kunden, die zum Beispiel wegen eines Problems mit der gelieferten Ware die Zahlung herauszögern. Bei den letzteren muss zunächst das Problem mit der Ware schnell und kompetent gelöst werden.
Intrum Justitia zum Beispiel bietet hierfür mit ReConnect® einen Service, der sofort beim Auftreten von Zahlungsschwierigkeiten ansetzt und alle oben genannten Kundenaspekte berücksichtigt. Ziel von ReConnect® ist zum einen, dass Unternehmen schnell das ihnen zustehende Geld bekommen, und zum anderen die Wiederherstellung der guten Geschäftsbeziehung mit dem jeweiligen Kunden. Dabei erfolgen im Namen des Unternehmens zum Beispiel Erinnerungsschreiben, Anrufe oder SMS, die alle dazu beitragen, in einem noch frühen Stadium des Zahlungsverzugs eine Kundenbeziehung nicht unnötig zu gefährden. Wir bezeichnen das als Softeskalation gegenüber dem Kunden. Dieses Vorgehen hat sich als sehr effizient erwiesen, und es sichert dem Unternehmen wertvolle Liquidität.
Vielen Dank für das Gespräch.
Über Hans-Jörg Giese
Hans-Jörg Giese ist als Consultant für den Lösungsvertrieb von Credit Management Services (CMS) in den deutschsprachigen Ländern (DACH) der Intrum Justitia-Gruppe verantwortlich.
Über Intrum Justitia
Intrum Justitia ist der führende Anbieter von Credit Management Services in Europa. Intrum Justitia beschäftigt über 3.100 Mitarbeiter in 24 Märkten. Die Gruppe ist an der Stockholmsbörsen (Stockholm Stock Exchange) notiert. Weitere Informationen auf www.intrum.de.
Quelle: Darmstadt [ ots ]