Im Rahmen des 12. aid-Forums referierten beide Wissenschaftler zum Thema "Männer wollen mehr, Frauen wollen es besser - Ernährungskommunikation unter Gender-Aspekten". Gesellschaftlich geformte und klischeehafte Zuweisungen wie "Typisch Mann - typisch Frau" seien, so Dr. Jana Rückert-John, nicht nur beim Einparken, sondern auch am Herd oder Grill sowie beim Essen gang und gäbe.
Nicht nur durch Kleidung oder Haarmode lassen sich sozial und kulturell geprägte, stereotype Geschlechterrollen zum Ausdruck bringen. Auch die Form, wie und was wir essen, konstruiert in unserer Gesellschaft immer noch Geschlecht. Zu diesem Fazit kamen die Sozialwissenschaftlerin Dr. Jana Rückert-John von der Universität Stuttgart-Hohenheim und der Erziehungswissenschaftler und Theologe Dr. Hans Prömper, Leiter des Frankfurter KEB-Bildungswerks.Im Rahmen des 12. aid-Forums referierten beide Wissenschaftler zum Thema "Männer wollen mehr, Frauen wollen es besser - Ernährungskommunikation unter Gender-Aspekten". Gesellschaftlich geformte und klischeehafte Zuweisungen wie "Typisch Mann - typisch Frau" seien, so Dr. Jana Rückert-John, nicht nur beim Einparken, sondern auch am Herd oder Grill sowie beim Essen gang und gäbe.
"Gerade Fleisch gilt als Symbol von Macht, Kraft und Stärke, wie kulturwissenschaftliche Studien gezeigt haben. Entsprechend der Geschlechterrollenerwartung zählen Fleisch und Alkohol in unserem Kulturkreis zur starken und männlichen Nahrung, während Obst und Gemüse der vermeintlich schwachen und daher weiblichen Nahrung zugeordnet werden. Darüber hinaus betonen Männern zugeordnete Haushaltstätigkeiten die Geschlechterrollenerwartung noch zusätzlich, da sich zum Beispiel ‚männliches Kochen’ eher auf öffentliche Situationen wie Grillen, exotische und Feiertagsgerichte konzentriert", so Rückert-John.
Nicht zuletzt mache auch die Werbung von diesen Stereotypen hinreichend Gebrauch, wenn sie Männer im alltäglichen familiären Kochgeschehen als hilflos und unerfahren darstelle, am Grillrost hingegen als "Meister ihres Faches". Die Gesellschaft als "Reservoir kultureller Symbole" mache selbst vor kulinarischen Taxonomien nicht Halt.
Neben "Jägerschnitzel", "Strammer Max", "Forelle Müllerin" oder "Birne Helene" fällt auf Speisekarten immer häufiger das "Cowboy-" (250 Gramm) oder "Lady-Steak" (110 Gramm) ins Auge. Diese Klassifizierung, die ein großes oder ein kleines Stück Fleisch nicht den Bedürfnissen des Konsumenten, sondern a priori dem Geschlecht des Tischgastes zuordnet, inszeniere Geschlechterrollen und manifestiere Vorurteile in unserer Gesellschaft.
Dass die westliche Kultur reich an "Praktiken des Essens und Trinkens" ist, die Geschlecht erzeugen und konstruieren, kann auch der Erziehungwissenschaftler und Theologe Dr. Hans Prömper bestätigen. "Mann is(s)t in der Tat anders, Frau auch. Die alltägliche Zuschreibung von Männlichkeit und Weiblichkeit geschieht überall, also zum Beispiel auch in der Kommunikation zu Ernährung und Gesundheitsbewusstsein", so Prömper, der ebenso wie Rückert-John der Meinung ist, dass es im 21. Jahrhundert an der Zeit sei, die Gender-Vorurteile durch gezielte Strategien in der Ernährungsberatung zu überwinden.
Gängige Gemeinplätze wie "Männer lieben Fleisch - Frauen dagegen Salat" seien jedoch nicht so einfach auszuräumen, da es sich um ein traditionelles Rollenmuster und komplexes Feld handelt, in das viele Einflussgrößen mit reinspielen.
"Die neuere Geschlechterforschung versteht Geschlecht nicht mehr als eindimensionale, oft normierte Achse ‚männlich’ versus ‚weiblich’ mit essentiellen Aussagen über ‚die Männer’ und ‚die Frauen’. Das Geschlecht ist verknüpft zum Beispiel mit Herkunft, sozialem Milieu oder Generation. Daraus folgt eine Differenzierung der Männer und der Frauen in vielfältige Typen von Frauen und Männern im Sinne von ‚Weiblichkeiten’ und ‚Männlichkeiten’", so Prömper.
Geschlechtergerechtigkeit als Ziel in der Ernährungskommunikation erfordere vor diesem Hintergrund aktive Strategien des Einbezugs multipler Differenzierungen und Benachteiligungen. Milieudifferenzierte und gezielte Konsumentenansprache sei dabei genauso wie das Minimieren von Stereotypen ein wichtiger Schlüssel.
Quelle: Bonn [ Ira Schneider - aid ]