Längst überfällig und ab dem 1. Januar 2019 Wirklichkeit: Schweinemastbetriebe in Deutschland dürfen ihre Ferkel dann aus Tierschutzgründen nicht mehr ohne Betäubung kastrieren. Für Bioschweine-Mastbetriebe gilt das bereits seit 2012...

Längst überfällig und ab dem 1. Januar 2019 Wirklichkeit: Schweinemastbetriebe in Deutschland dürfen ihre Ferkel dann aus Tierschutzgründen nicht mehr ohne Betäubung kastrieren. Für Bioschweine-Mastbetriebe gilt das bereits seit 2012. Da eine Vollnarkose nur ein Tierarzt vornehmen darf, stellt sich für den ein oder anderen Mastbetrieb die (Kosten-)Frage, warum die Ferkel nicht gleich als Eber mästen? Insofern kann man davon ausgehen, dass ab dem nächsten Jahr mehr Eberfleisch auf den Markt kommt. Bis dato werden nur etwa fünf bis zehn Prozent der männlichen Schweine als Jung-Eber geschlachtet. Dabei hat die Ebermast durchaus Vorteile, denn nicht kastrierte Schweine benötigen weniger Futter und ihr Fleisch ist magerer. Problematisch ist das geschlechtsspezifische Verhalten der Eber wie Beißereien und Machtkämpfe. Dabei kommt es zu Verletzungen, die teilweise schlimmer und auch teurer sind als die Kastration. Bio-Eber haben es da besser, denn das großzügigere Platzangebot im Ökolandbau minimiert die Verletzungsgefahr.

Ob bio oder konventionell: Das Fleisch von etwa fünf bis zehn Prozent der geschlechtsreifen männlichen Schweine riecht unangenehm streng. Geschlechtsreif werden die Tiere mit circa fünf Monaten Lebensalter. Je nach Fütterung, Haltung und Genetik der Schweine, variiert der Anteil geruchsauffälliger Tiere jedoch stark.

Abhilfe kann die sogenannte „Genomische Selektion“ schaffen – eine neuartige Zuchtmethode und eine Analyse des Erbmaterials. Hierbei werden nur die Tiere identifiziert und zur Zucht verwendet beziehungsweise verarbeitet, die eine DNA-Variante ohne Geruchs- oder Geschmacksbeeinträchtigungen aufweisen.

Verantwortlich für den sogenannten „Ebermakel“ ist vor allem das männliche Geschlechtshormon Androstenon. Es wird im Hoden des geschlechtsreifen Tieres gebildet. Eine weitere Geruchskomponente ist Skatol. Das ist ein bakterielles Abbauprodukt der Aminosäure Tryptophan, die im Dickdarm gebildet wird und bei allen Schweinen auftritt. Während die Substanz bei den weiblichen Tieren gut abgebaut werden kann, ist dies bei den männlichen Tieren nicht der Fall. Der unvollständige Abbau führt zu einer Anreicherung im Eberfleisch, was vom Verbraucher als unangenehm und streng riechend wahrgenommen werden kann. Ob und wie unangenehm Menschen Ebergeruch in Fleisch oder Wurstprodukten wahrnehmen, ist naturgemäß individuell sehr verschieden.

Nach den Leitsätzen für Fleisch und Fleischerzeugnisse ist Eberfleisch mit geruchlichen Abweichungen lediglich „nicht verkehrsüblich“ – es wäre nur dann als „genussuntauglich“ zu erklären, wenn der Geschlechtsgeruch ausgeprägt wäre. Hier kommt die „humansensorische Beurteilung“ von Geruchsabweichungen zum Einsatz: Speziell geschulte Prüfer sind in der Lage, geruchsbelastetes Fleisch nach der Schlachtung objektiv und standardisiert zu identifizieren. Die menschliche Nase wird damit als zusätzliche Kontrollinstanz in den Schlachtbetrieb integriert. So kommt auch ab 2019 kein geruchsbelastetes Eberfleisch in die Verkaufstheken.

Rüdiger Lobitz, www.bzfe.de

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