Welche Merkmale vererbt ein Nutztier, wie relevant sind diese Merkmale für eine wirtschaftliche Tierhaltung oder die Gesundheit der Tiere und gibt es biologische oder ethische Grenzen für die Züchtung auf Leistung? Diese und andere Fragen wollte das diesjährige Frühjahrssymposium...

Welche Merkmale vererbt ein Nutztier, wie relevant sind diese Merkmale für eine wirtschaftliche Tierhaltung oder die Gesundheit der Tiere und gibt es biologische oder ethische Grenzen für die Züchtung auf Leistung? Diese und andere Fragen wollte das diesjährige Frühjahrssymposium der Akademie für Tiergesundheit (AfT) am 7. und 8. März auf Schloss Montabaur beantworten.

Viele Referenten erläuterten ihre Themen anhand der Milchrinderzucht. Über die Zuchtwertschätzung können heute relevante Merkmale über Vererbungsmodelle erfasst werden. Das Instrument der Zuchtwertschätzung fließt in die praktische Züchtungsarbeit ein und wird von der Praxis genutzt. Neben reinen Leistungsdaten wie z.B. beim Milchvieh die Milchmenge stehen dabei Fruchtbarkeitsmerkmale im Mittelpunkt. Auch die Bedeutung des Zuchtwertes „Gesundheit“ nimmt an Bedeutung zu. Im Rahmen der Zuchtwertschätzung kommen zunehmend objektiv erfassbare Merkmale z.B. Milchprogesteronwerte oder neue Methoden, wie die der Identifikation von Chromosomensegmenten, zum Einsatz. Genotypdaten sind vor allem geeignet Merkmale zu identifizieren, die nie oder selten in reinerbiger Form vorkommen bzw. nur niedrig vererblich sind.

Große Chance „Precision Breeding“
Tierzucht und Molekulargenetik haben in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht. Inzwischen sind die Genome wichtiger landwirtschaftlicher Nutztiere sequenziert worden, so dass informative Genkarten vorliegen, angefangen beim Rind über das Schwein bis hin zur Biene. Die Kenntnis der Molekularstrukturen eröffnet die Nutzung neuer Züchtungsverfahren wie das Gen-Editing. Die sogenannten molekularen Scheren arbeiten wesentlich zielgenauer als frühere Methoden. Erfolgreiche Einsatzbereiche neuer Technologien sind beispielsweise die Züchtung auf Krankheitsresistenz, die Zucht hornloser Rinder oder die Geschlechtsbeeinflussung (Sexing). Auch die Zucht von Tieren, die spezifische, diätetisch wertvolle Produkte liefern können, ist möglich. In der biomedizinischen Tierzucht können bereits Tiere für die Produktion von Arzneimitteln erzeugt oder transgene Schweine für Organspenden gezüchtet werden. Neue Zuchtverfahren können somit einerseits zu einer nachhaltigeren Tierhaltung beitragen und eröffnen andererseits vielversprechende Perspektiven für die Therapie von Krankheiten.

Chancen und Grenzen
Beim Symposium ging es nicht nur um die Frage „was geht“, sondern auch um die physiologischen Grenzen der Tiere, die es zu beachten gilt. In den vergangenen 20 Jahren konnte etwa durch Selektion auf Milchleistung die durchschnittliche Laktationsleistung bei der Rasse `Deutsche Holstein Schwarzbunt´ von 7.000 auf fast 9.500 kg Milch gesteigert werden. Zusammenhänge zwischen diesen hohen Leistungen und gleichzeitig geringeren Lebensleistungen aufgrund früher Abgänge wurden diskutiert. Auf eine physiologisch angemessene Fütterung muss ein besonderer Wert gelegt werden. Untersuchungen zeigen, dass eine dem Bedarf nicht angepasste Fütterung hochleistender Milchkühe im ersten Laktationsdrittel eng mit dem Auftreten verschiedener Erkrankungen assoziiert ist. Ein weiterer Punkt in der Diskussion war die Analyse, welche Tiere den Stoffwechselanforderungen gerecht werden und warum. Ein interessanter Ansatz für die Züchtung wird in einem flacheren Anstieg der Laktationskurve unmittelbar nach der Geburt gesehen. Diese Zusammenhänge müssen weiter erforscht werden. Dazu gehört u.a. eine vollständige phänotypische Charakterisierung aller Merkmalsbereiche.

Aus der Erkenntnis heraus, dass eine einseitige Zucht auf ein Merkmal negative Auswirkungen in anderen Merkmalen nach sich ziehen kann, rücken sogenannte funktionale Merkmale stärker in den Fokus. Typische Beispiele sind die Merkmalskomplexe Gesundheit, Fruchtbarkeit oder Verhalten. Wachsende Bedeutung für eine nachhaltige Landwirtschaft erlangt die Ressourceneffizienz. Funktionale Merkmale weisen in der Regel niedrigere Erblichkeiten auf und sind von äußeren Faktoren beeinflusst, was ihre züchterische Bearbeitung erschwert. Mit der genomischen Selektion lassen sich dennoch Zuchtwerte ermitteln und auch ohne Leistungsinformationen schätzen. Die Leistungsprüfung lässt sich mit diesem Zuchtverfahren jedoch nicht ersetzen. Moderne Züchtungsverfahren und das sensorgestützte Precision Breeding haben inzwischen zu einer großen Datenflut geführt. Die große Herausforderung besteht nun darin, diese Daten zusammenzuführen und für die Züchtung zu nutzen.

Züchtung pro Gesundheit
Anhand von Beispielen wurde die Zucht auf Krankheitsresistenzen erläutert. An der Identifizierung der beteiligten Gene wird mit Hochdruck gearbeitet. Oftmals sind mehrere Gene beteiligt. Aufgrund der Vielschichtigkeit werden zunehmend moderne Verfahren wie das Gen-Editing genutzt. Als Paradebeispiel wurde die Erzeugung PRRS-resistenter Schweine genannt, ähnliche Konzepte werden hinsichtlich der Afrikanischen Schweinepest sowie der Mastitis und der Tuberkulose des Rindes verfolgt.

Ein Spezialfall stellt die Zucht auf Krankheitsresistenz bei Honigbienen dar, deren Besonderheit sich aus der Biologie der Biene ergibt. Auch der Zuchtwert einer Königin wird über Leistungsprüfungen ermittelt. Aufgrund des weltweiten Handels mit „guten Königinnen“ hat die Frage nach der Übertragung von Krankheitserregern durch Zuchtmaterial eine besondere Bedeutung. Die Fähigkeit Krankheiten abzuwehren, hängt bei Bienenvölkern in starkem Umfang von deren Hygieneverhalten gegenüber geschädigter Brut ab. Ein Zuchtziel besteht deshalb darin, Völker auf ein gesteigertes Hygieneverhalten zu züchten. Seit einigen Jahren gibt es auch vermehrte Anstrengungen, genomische Marker für Krankheitsresistenz oder Varroatoleranz zu identifizieren. Die Varroamilbe überträgt ein Virus, das zu Missbildungen der Flügel führt.

Gesellschaftlicher Diskurs
Als Spezialbereiche wurden in weiteren Vorträgen die Diagnose von Erbkrankheiten sowie die Zucht spezieller Schweine für die biomedizinische Forschung angesprochen. So könnten genetisch modifizierte Schweine beispielsweise als Spender von Zellen, Geweben oder sogar ganzen Organen in Frage kommen. Transplantationen von Spenderschwein zu Pavian lassen bezüglich eines verminderten Abstoßungsverhaltens hohe Erwartungen zu. Neuartige Therapien in Zusammenhang mit Diabetes scheinen erfolgversprechend. Ebenfalls wurden gesellschaftlich relevante Fragen der Tierhaltung und inwieweit Züchtung dazu beitragen kann, Konflikte zwischen Produktivität einerseits und Mensch-Tier-Verhältnis andererseits zu lösen, diskutiert. Moderne Ernährungstrends in westlichen Gesellschaften stellen den Verzehr von Fleisch und Milchprodukten zunehmend in Frage. Die große Bedrohung für die Tierhaltung sehen Experten jedoch durch die Klimaschutzdiskussion. „Less but better“ ist eine Forderung, die auch in der Tierzucht ihren Niederschlag finden muss. Züchtungsfortschritt wird sich in Zukunft nicht mehr auf wenige Hochleistungsrassen, sondern auf Zuchtmerkmale wie Robustheit und Gesundheit fokussieren müssen. Inwieweit die Konsumenten Verfahren wie das Gen-Editing in der Tierzucht akzeptieren werden, ist noch unklar.

Fazit
Das Symposium gab einen Überblick über die breite Palette der Züchtungsinstrumente, die heute zur Verfügung stehen. Es wurde deutlich, dass vieles machbar ist, aber der Nutzen abgewogen werden muss. Die gesellschaftlichen Trends bis hin zu tierethischen Aspekten beeinflussen zunehmend auch die Wissenschaft bzw. die Ziele der Tierzucht. Das Potential der Züchtungsmethoden bis hin zum Gen-Editing eröffnet aber auch neue Möglichkeiten, die unterschiedlichen Anforderungen in Einklang zu bringen.

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