©KUKA_ENORM_Biofactory

Kann die industrielle Zucht von Insekten als Tierfutter einen Beitrag leisten, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren? Der Beantwortung dieser Frage widmet sich die "Inhouse Farming – Feed & Food Show", die vom 12. bis 15. November 2024 auf dem Messegelände in Hannover stattfindet. Im Fokus der von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) organisierten B2B-Plattform stehen Technologien und Lösungen, die zeigen, dass Insekten mittlerweile als alternative Proteinquelle für nachhaltige Futtermittel wirtschaftlich einsetzbar sind...

Kann die industrielle Zucht von Insekten als Tierfutter einen Beitrag leisten, die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren? Der Beantwortung dieser Frage widmet sich die "Inhouse Farming – Feed & Food Show", die vom 12. bis 15. November 2024 auf dem Messegelände in Hannover stattfindet. Im Fokus der von der DLG (Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft) organisierten B2B-Plattform stehen Technologien und Lösungen, die zeigen, dass Insekten mittlerweile als alternative Proteinquelle für nachhaltige Futtermittel wirtschaftlich einsetzbar sind. Die „Inhouse Farming“ ergänzt die Weltleitmesse EuroTier und die ebenfalls parallel stattfindende EnergyDecentral, die international führende Plattform für dezentrale Energieversorgung, optimal um neue Perspektiven und Geschäftsmodelle für die gesamte Wertschöpfungskette.

Insekten sind für Prof. Dr. Nils Borchard, Leitung DLG Forschung und Entwicklung, das fehlende Bindeglied der Kreislaufwirtschaft. „Sie können das Tierfutter der Zukunft sein, denn sie liefern wertvolle Proteine, Fette und andere Nährstoffe. Zudem ist deren Produktion sehr ressourceneffizient.“ Was aber macht sie zum Rohstoff für die Futtermittelproduktion der Zukunft? Antworten auf diese Frage liefert Mitte November die "Inhouse Farming – Feed & Food Show" in Hannover.

Schwarze Soldatenfliege im Fokus
In der EU sind mittlerweile sieben Insektenarten zugelassen, die als "processed animal protein" für die Nutztierfütterung eingesetzt werden dürfen. Bestens bewährt zur Herstellung von Tierfutter haben sich die Larven der Schwarzen Soldatenfliege (Hermetia illucens). Deren Proteinanteil ist vergleichbar mit dem von Sojabohnenmehl – 40 bis 47 Prozent in der Trockenmasse. „Das Potenzial der Larven ist riesig“, bestätigt Dr. Frank Hiller, CEO von Big Dutchman. Denn aus sonst kaum verwertbaren Reststoffen produzieren sie hochwertiges Protein, das sich hervorragend als Tierfutter eignet. Hiller geht davon aus, dass die alternative Proteinquelle dauerhaft einen signifikanten Teil des nach Europa importierten Sojas ersetzen kann. Big Dutchman hat aus diesem Grund das vorhandene Know-how im Bereich des Insektenhaltung und -produktion in der 2020 gegründeten Better Insect Solutions gebündelt. Das auf Komplettlösungen für die Insektenzucht spezialisierte Unternehmen stellt seine Systeme auf der "Inhouse Farming – Feed & Food Show" vor.

Wie diese in der Praxis aussehen, konnte im November 2023 in Hvirring (Dänemark) in Augenschein genommen werden – als die Enorm Biofactory eröffnet wurde, die aktuell größte Insektenfarm Nordeuropas. Auf 22.000 Quadratmetern Fläche werden vor Ort Larven der Schwarzen Soldatenfliege gezüchtet und zu Insektenprotein und -öl verarbeitet. Weite Teile der Technik, darunter die Klimasysteme für den Zucht- und Mastbereich, die Abluftreinigung und Wärmerückgewinnung, die Flüssigfütterung sowie die Boxen für die Mast, stammen von Better Insect Solutions. Für Investoren planen und bauen die Experten komplette Hightech-Insektenfarmen inklusive Zucht, Mast und Verarbeitung. Eher an Landwirte, die auf ein weiteres Standbein als Insektenmäster setzen möchten, richten sich die hoch automatisierten, modular aufgebauten Mastanlagen im Sortiment.

Chancen für die Nutztierfütterung
Die in der Enorm Biofactory gezüchteten Schwarzen Soldatenfliegen erhalten Futter, das hauptsächlich aus Reststoffen der regionalen Lebensmittelindustrie besteht. Nach etwa zwölf Tagen werden die Larven zu Insektenöl und -mehl verarbeitet, die in Versuchen in landwirtschaftlichen Betrieben bereits vielversprechende Ergebnisse in der Produktion und Tiergesundheit bei Geflügel und Schweinen gezeigt haben. Ziel ist es, täglich 100 Tonnen Larven zu produzieren. Mit Proteinfutter auf Insektenbasis wollen Europas Landwirte künftig einen Teil ihrer Sojaimporte aus Übersee vermeiden. Auch wenn Nutzinsekten als Bestandteil von Fischfutter bereits seit 2017 zugelassen sind, war entsprechendes Tierfutter bislang ein Nischenprodukt in Europa. Erst seit September 2021 ist im Rahmen einer Ausnahmeregelung die Verfütterung von verarbeitetem, tierischem Protein aus Nutzinsekten an Schweine und Geflügel in der EU möglich. Für Hersteller von Insektenproteinen wie Livin Farms AgriFood, Illucens und Viscon eröffnen sich damit neue Wachstumsfelder.

Doch Experten wie Prof. Dr. Nils Borchard sehen noch weitere Einsatzmöglichkeiten. Über die Verwendung als Futtermittel hinaus könnten die gezüchteten Insekten oder deren Bestandteile auch in der Produktion von Fleischersatz und anderen Lebensmitteln sowie bei der Herstellung von Kosmetika eingesetzt werden. Bisher gestaltet sich eine Produktion von Insektenprotein unter wirtschaftlichen Aspekten häufig schwierig, da die Produktions- und Aufbereitungsverfahren noch nicht mit konventionellen Futtermitteln konkurrieren können. „Die Nutzung landwirtschaftlicher Nebenprodukte sowie Nebenströme der Lebensmittelindustrie als Futtermittel für die Insektenzucht kann dazu beitragen, die Produktionskosten zu senken“, so Borchard. Wie sich das Potenzial von organischen Reststoffen und Abfällen ausschöpfen lässt, ist deshalb eine der Fragen, die im Rahmen des Thementages Insekten am 12. November auf der "Expert Stage: Inhouse Farming" diskutiert wird. Fachpartner bei der Ausgestaltung der Inhalte ist die IPIFF (International Platform of Insects for Food and Feed), eine gemeinnützige EU-Organisation, die die Interessen des Insektenproduktionssektors vertritt.

Insekten als Upcycling-Profis
Die Beantwortung dieser Frage hat längst auch Forschungseinrichtungen und Startups auf den Plan gerufen. Reststoffe gibt es mehr als genug, denn „in der Europäischen Union fallen jährlich etwa 58 Millionen Tonnen nicht verwerteter Lebensmittel an“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Jörg Woidasky von der Hochschule Pforzheim. Bereits seit mehreren Jahren kooperiert die Hochschule mit Alpha-Protein, einem Startup aus Bruchsal. „Hierbei konnte neben der Auswahl von geeigneten Nebenprodukten der Lebensmittelindustrie auch das Handling der empfindlichen Tiere optimiert werden“, erläutert der Experte für nachhaltige Produktentwicklung. Alpha-Protein verwendet diese Nebenprodukte als Nahrung für den Mehlwurm (Tenebrio molitor) und upcycelt sie zu einem eiweißreichen Rohstoff mit Vitaminen, ungesättigten Fettsäuren und Mineralien.

„Zusätzlich gewinnen wir bei der Aufzucht der Mehlwürmer einen nährstoffreichen Pflanzendünger, der viele weitere positive Effekte wie Bodenaktivierung und Langzeitdünung mitbringt. Zu guter Letzt erreichen wir durch die Nutzung abgelegter Insektenhäute (d.h. Exuvien) eine vollumfängliche Verwertung all unserer Stoffströme“, so Firmengründer Gia Tien Ngo. Diese entstehen während des natürlichen Häutungsvorgang und werden verwendet, um nachhaltige Produkte wie alternative Kunststoffe herzustellen. Auf den Ergebnissen des ersten Projekts werden die Forschenden nun aufbauen. Dabei stehen die Anlagen und die Automatisierung des Aufzuchtprozesses im Vordergrund. Gegenwärtig ist eine industrielle Produktion in Ludwigshafen auf einer Fläche von zwei Hektar in Planung. Dort sollen jährlich 1.000 Tonnen getrocknete Insekten und über 5.000 Tonnen an Dünger produziert werden. Geplant ist, Altbrot von Bäckereien aus der Region als primäre Futtermittelquelle zu verfüttern.

Herausforderungen der automatisierten Zucht
Die Kontrolle von Umweltfaktoren wie Temperatur und Luftfeuchtigkeit, die präzise Handhabung der empfindlichen Fliegeneier sowie die gleichmäßige Portionierung von frisch geschlüpften Larven sind komplexe Aufgaben, die es bei der Automatisierung der Zucht zu lösen gilt – ein Thema, dem sich auch die ausstellenden Unternehmen der "Inhouse Farming – Feed & Food Show" widmen. Mit dabei in Hannover ist WEDA Dammann & Westerkamp, ein Spezialist für Fütterungstechnologien. Das Unternehmen aus Lutten hat vor kurzem eine entsprechende Anlage inklusive Steuerung und Prozessvisualisierung an den portugiesischen Unternehmen EntoGreen geliefert. In dem System aus Behältern und Mischtanks werden die Larven der Schwarzen Soldatenfliege bis zur Erreichung ihres Endgewichts mit den Reststoffen gefüttert. Das integrierte Dosiersystem sorgt für eine individuelle Kombination und präzise Portionierung des Futtersubstrates in den Mastbehältern. Die Reststoffe, auf denen die Larven gedeihen, bestehen aus regionalen Gemüsereststoffen, die nicht mehr für die Lebensmittelproduktion verwendet werden können. „Die Anlage generiert täglich ein Substrat für einen Larven-Output von etwa 25 Tonnen. Für eine künftige Erweiterung ist sie durch ihren modularen Aufbau einfach zu skalieren“, erläutert WEDA-Export Manager Gabriel Schmidt. Eine neue Anlage ist bereits in Planung und soll ab 2025 bei einem täglichen Rohstoffinput von 210 Tonnen bis zu 45 Tonnen lebende Larven produzieren.

https://www.dlg.org

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