Label zur Verbraucherinformation reichen nicht aus – Ein Diskussionsbeitrag
Tierwohl ist in aller Munde! Könnte meinen, wer die aktuellen Medienberichte verfolgt. Gerade die Fleischverarbeiter sind dabei auffällig aktiv bei der Veröffentlichung neuer Labels, die einen hinreichenden Tierschutz propagieren sollen. Dabei kritisieren Nichtregierungsorganisationen, sofern sie nicht daran beteiligt sind, nachdrücklich die Wirkung solcher Programme zur Tiergesundheit. Auch in der Medienlandschaft finden sich regelmäßig Hintergrundberichte, die nicht selten auch den Vorwurf des Greenwashings im Kontext aktueller Tierwohlkampagnen enthalten. Und der Verbraucher? Steht vor dem Kühlregal und ist durch die Vielzahl unterschiedlicher Labels überfordert.Dabei wird das Thema Nachhaltigkeit und insbesondere CSR (Corporate Social Responsibility) in der Agrar- und Ernährungswirtschaft seit Jahren ausführlich und auch kontrovers diskutiert. Nahezu alle branchenrelevanten Medien haben dieses Thema eingehend und bisweilen inflationär aufgegriffen. Und das doch offenbar immer im Sinne der Wertigkeit einer nachhaltigen Wirtschaftweise entlang der gesamten Lieferkette, die vom Verbraucher letztlich honoriert werden soll.
Label zur Verbraucherinformation reichen nicht aus – Ein Diskussionsbeitrag
Tierwohl ist in aller Munde! Könnte meinen, wer die aktuellen Medienberichte verfolgt. Gerade die Fleischverarbeiter sind dabei auffällig aktiv bei der Veröffentlichung neuer Labels, die einen hinreichenden Tierschutz propagieren sollen. Dabei kritisieren Nichtregierungsorganisationen, sofern sie nicht daran beteiligt sind, nachdrücklich die Wirkung solcher Programme zur Tiergesundheit. Auch in der Medienlandschaft finden sich regelmäßig Hintergrundberichte, die nicht selten auch den Vorwurf des Greenwashings im Kontext aktueller Tierwohlkampagnen enthalten. Und der Verbraucher? Steht vor dem Kühlregal und ist durch die Vielzahl unterschiedlicher Labels überfordert.Dabei wird das Thema Nachhaltigkeit und insbesondere CSR (Corporate Social Responsibility) in der Agrar- und Ernährungswirtschaft seit Jahren ausführlich und auch kontrovers diskutiert. Nahezu alle branchenrelevanten Medien haben dieses Thema eingehend und bisweilen inflationär aufgegriffen. Und das doch offenbar immer im Sinne der Wertigkeit einer nachhaltigen Wirtschaftweise entlang der gesamten Lieferkette, die vom Verbraucher letztlich honoriert werden soll.
Dabei fehlt vielen Konsumenten die Akzeptanz für Nachhaltigkeit „vom Stall bis zur Ladentheke“. Den Anschein erwecken zumindest die aktuellen Verkaufszahlen nachhaltiger Wurst- und Fleischwaren. Die fehlende Akzeptanz auf Seiten der Verbraucher führen Experten vor allem auf die unzureichende Information über nachhaltige Erzeugung und Herstellung von Fleisch- und Wurstwaren zurück. „Viele Verbraucher erwarten ein Mehr an Informationen, die eine nachhaltige Tierhaltung und Weiterverarbeitung verständlich und nachvollziehbar machen“, betont Dr. Michael Lendle, Geschäftsführer des Institutes für Nachhaltiges Management in Bonn. „Diese Uninformiertheit führt dann in vielen Fällen zu Unsicherheit und kompletter Ablehnung“, so Dr. Lendle weiter.
Letzteres belegen auch die Zahlen des CSR-Trackers des IFH Köln, in dem Verbraucher zweimal jährlich zu Ihrer Einschätzung von Nachhaltigkeit in Handel und Industrie befragt werden. So geben 44 Prozent der vom IFH befragten Verbraucher, die bewusst keine nachhaltigen Produkte kaufen, an, nachhaltige Sortimente für einen Schwindel zu halten.1 Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die Konsumenten mit der Angebotsbreite nachhaltiger Produkte grundsätzlich zufrieden sind. Nachholbedarf wird Industrie und Handel vor allem in Sachen Kontrolle der selbst gesetzten Standards ausgestellt. Nachhaltigkeitskriterien wie Transparenz und Kommunikation stehen ebenfalls ganz oben auf der Wunschliste der Verbraucher.2 „In Puncto Nachhaltigkeit fordern Konsumenten einen Dialog auf Augenhöhe. Das heißt auch, das eigene Engagement wirklich transparent zu gestalten“, rät Bettina Seul, Bereichsleiterin Forschung & Konzepte am IFH Köln. Dabei ist die Fleischindustrie besonders gefordert: 70 Prozent der für den CSR-Tracker befragten Konsumenten legen bei Fleisch und Geflügel Wert auf soziale und ökologische Aspekte. Damit rangieren Fleisch- und Wurstwaren auf einem ähnlich hohen Niveau wie andere sensible Produktkategorien wie zum Beispiel Eier. Der deutliche Abstand zu den weiteren Lebensmittelkategorien verdeutlicht die hohe Relevanz des Themas Nachhaltigkeit für die Fleischindustrie.3
Dabei sind die Chancen für Handel und Industrie, sich im Nachhaltigkeitskontext zu positionieren, gut wie nie. Sind die Verbraucher auf der einen Seite nachhaltigen Produkten gegenüber durchaus aufgeschlossen, mangelt es auf der anderen Seite noch deutlich an Verständnis. In Sachen Nachhaltigkeitskommunikation gibt es noch einiges aufzuholen. Ergebnisse des CSR-Trackers 2012 zeigen: Obwohl sowohl Bio-Siegel als auch Regionalität kein Garant für eine komplett nachhaltige Produktion sind, gehen 80 Prozent der Konsumenten davon aus, dass zertifizierte Produkte unter nachhaltigen Gesichtspunkten hergestellt wurden. Auch regionale Produkte erreichen diesbezüglich hohe Zustimmungswerte von 73 Prozent.4 „Das Ergebnis zeigt, dass viele Konsumenten in Bezug auf Kennzeichnungen noch geschult werden müssen. Was sich genau hinter Siegeln oder dem Stichwort Regionalität verbirgt, bleibt für die Mehrheit unklar“, so Bettina Seul. „Je eindeutiger die Produktionsbedingungen von Händlern und Herstellern kommuniziert werden, desto eher besteht die Möglichkeit zur Wettbewerbsdifferenzierung. Wer von den Verbrauchern als offener und ehrlicher Akteur wahrgenommen wird, hat dem Wettbewerb schon einiges voraus“, erklärt Seul weiter.
„Ein Label hat nur dann Erfolg, wenn die Kaufentscheider auch wissen, was sich tatsächlich nachhaltiges dahinter verbirgt. Ein Tierschutzlabel allein zur Verbraucherinformation reicht sicherlich nicht aus“, so Dr. Michael Lendle weiter, „im Gegenteil, das Vertrauen in die Wertigkeit solcher Labels leidet oftmals unter der Unsicherheit, die den Verbrauchern nur durch mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit genommen werden kann“. Die Zahlen des IFH Köln bestätigen dies: Mit einem Tiersiegel allein ist aus Verbrauchersicht noch längst kein nachhaltiges Fleischprodukt entstanden. In der Warengruppe Fleisch legen Verbraucher laut dem CSR-Tracker neben der Berücksichtigung bekannter Zertifizierungen am meisten Wert auf ein umfassendes Engagement für Tiere und Umwelt allgemein sowie auf die Aufrichtigkeit der öffentlichen Information durch Industrie und Handel.
Die Kommunikation sollte dabei auf allen Ebenen erfolgen, wobei dem Point of Sale eine gesonderte Rolle zukommt. Denn das Ladengeschäft ist für deutsche Konsumenten nach wie vor Anlaufpunkt Nummer eins, wenn sie sich über die Nachhaltigkeit von Waren und Dienstleistungen informieren wollen, so ein weiteres Ergebnis der Nachhaltigkeitsstudie des IFH Köln. 35 Prozent der Befragten gaben an, sich direkt vor Ort mit Produkteigenschaften vertraut zu machen.5 Der Aspekt der transparenten Information ist demnach auch im Bereich Verpackung und Präsentation nicht zu unterschätzen. Dr. Michael Lendle unterstreicht die Bedeutung dieses „Mehr an Informationen“: „Nur detaillierte Informationen können die Akzeptanz für nachhaltiges Wirtschaften steigern und damit das Kaufverhalten wirksam beeinflussen“.
Transparenz erreichen die Marktteilnehmer laut Dr. Lendle in erster Linie, indem sie ihre bestehenden nachhaltigen Projekte und Aktivitäten offenlegen. „Dabei ist es zunächst unwichtig, ob dadurch ökologisch wertvolle, sozial verträgliche oder ethisch-moralische Kriterien erfüllt sind. Diese eher akademische Betrachtungsweise von Nachhaltigkeit spielt eine untergeordnete Rolle. Der Verbraucher will vielmehr bewusst wahrnehmen, für welchen nachhaltigen Mehrwert genau ein zuweilen höherer Preis verlangt wird“, macht Dr. Michael Lendle deutlich.
Der Verbraucher möchte nachhaltiges Wirtschaften nachvollziehen können – und das vom Landwirt bis zum Einzelhändler. Dies setze allerdings voraus, führt Dr. Michael Lendle fort, dass die Verantwortlichen bei Themen zu Nachhaltigkeit Flagge bekennen und ihr nachhaltiges Engagement einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. „Hierfür müssen Industrie und Handel ihre
Lieferketten nicht nur kennen, sondern bis in den Stall hinein nachhaltige Geschäftstätigkeit sicherstellen“.
Das Institut für Handelsforschung (IFH Köln) und das Institut für Nachhaltiges Management (ifnm) analysieren die Meinung deutscher Verbraucher zu Akzeptanzfragen der Nachhaltigkeit. Im Fokus stehen neben der Erforschung des begründeten Konsumverhaltens allgemein auch die Nachhaltigkeits-Wahrnehmung der Verbraucher von Industrie und Handelsmarken in der Warengruppe Fleisch- und Wurstwaren. Unternehmen der Ernährungsbranche erhalten anhand der repräsentativen Studienergebnisse des CSR-Tracker-Food den aktuellen Stand der verhaltenswirksamen Wahrnehmung von Nachhaltigkeit bei Verbrauchern bezogen auf ihr Unternehmen und ihre Produktmarken.
1 IFH Köln, CSR-Tracker 2. Welle November 2011.
3 IFH Köln, CSR-Tracker 2. Welle November 2011.
4 IFH Köln, CSR-Tracker 3. Welle Mai 2012.
Quelle: Bonn / Köln [ ifnm und IFH Köln ]