Quelle: Journal of Animal Science 84 (2006), 2436-2447.
Quelle: Journal of Animal Science 84 (2006), 2436-2447.
In weiten Teilen der Bevölkerung werden die vorrangig unter ökonomischen Gesichtpunkten optimierten modernen Tierhaltungsverfahren seit langem kritisch gesehen und mit mangelndem Wohlbefinden der Tiere, schlechter Fleischqualität, erhöhtem Medikamenteneinsatz und Umweltverschmutzung assoziiert. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Thematik auch für die Wissenschaft nach wie vor aktuell bleibt.
In einem Gemeinschaftsprojekt mehrer französischer Institute wurde nun eine als tierfreundlich angesehene Haltungsvariante einem konventionellen System gegenübergestellt und im Hinblick auf Mastleistung, Verhalten und physiologische Reaktionen der Tiere während der Bereitstellung am Schlachtbetrieb sowie auf Schlachtkörper- und Fleischqualität verglichen (B. LEBRET, M.C. MEUNIER-SALAUN, A. FOURY, P. MORMÈDE, E. DRANSFIELD, J.Y. DOURMAD: Influence of rearing conditions on performance, behavioral, and physiological responses of pigs to preslaughter handling, carcass traits, and meat quality).
120 Kreuzungsschweine (je 50 % Kastraten und weibliche Tiere) wurden jeweils zur Hälfte auf ein konventionelles und ein „alternatives“ Haltungssystem aufgeteilt. Ersteres war durch Vollspaltenboden (0,65 m2/Tier) und konstante Klimaführung gekennzeichnet, während es bei Letzterem Buchten mit Sägmehleinstreu (1,3 m2/Tier), einen betonierten Auslauf (1,3 m2/Tier) und je nach Witterung wechselnde Temperaturverhältnisse gab.
Während der Mast, die bei einem Lebendgewicht von 35 kg begann und bei etwa 110 kg endete, hatten alle Tiere freien Zugang zu einer Standardfuttermischung (Futterautomaten).
Um auch jahreszeitliche Einflüsse erfassen zu können, erfolgte die Mast in drei Durchgängen, und zwar im Frühling, Sommer und Winter (pro System in jeder Saison zwei Buchten mit jeweils 10 Tieren).
Die alternativ gehaltenen Tiere nahmen mehr Futter auf und erreichten – bei gleicher Futterverwertung – im Mittel um ca. 10 % höhere Masttagszunahmen als die Schweine der konventionellen Gruppe. Daraus resultierte auch ein um ca. 7 kg höheres Mastendgewicht, welches – nicht überraschend – mit einem um 2,4 mm stärkeren Rückenspeck und einem um 2 %-Punkte niedrigerem Muskelfleischanteil einherging.
Das tierfreundlichere System führte jedoch zu keinen Veränderungen bei den Verhaltensaktivitäten während der Aufstallung am Schlachthof oder den Konzentrationen verschiedener Stresshormone in Urin und Plasma unmittelbar nach der Schlachtung. Auch andere Stressparameter im Blut, wie der Gehalt an Lactat, Glucose und freien Fettsäuren oder die Creatinkinase-Aktivität, blieben unbeeinflusst. Daraus kann geschlossen werden, dass der hier gewählte größere Bewegungsspielraum während der Mast die Belastungsresistenz der Tiere gegenüber Transport, Zutrieb und Bereitstellung weder erhöht noch erniedrigt hat.
Bei den zahlreichen einbezogenen Fleischqualitätsmerkmalen gab es nur wenige auffällige Befunde: So wiesen die alternativ gehaltenen Schweine in allen untersuchten Muskeln (M. longissimus, M. semimembranosus, M. biceps femoris) einen um 14-17 % (relativ) höheren intramuskulären Fettgehalt auf. Dies war auf Grund der stärkeren Schlachtkörperverfettung zu erwarten.
Doch auch die höheren IMF-Gehalte waren immer noch so niedrig (z. B. im M. longissimus: 1,68 gegenüber 1,44 %), dass sich dies in der sensorischen Qualität kaum bemerkbar machte.
Lediglich bei der Saftigkeit wurden geringfügig, aber dennoch signifikant höhere Bewertungen vergeben (3,7 gegenüber 3,4 Pkt.) . Schwerer zu interpretieren ist jedoch, dass der Rückenmuskel der Auslauf-Tiere trotz nahezu gleicher pH-Werte einen signifikant höheren Tropfsaftverlust (nach 2 Tagen Tropfzeit: 3,3 gegenüber 2,3 %) sowie höhere b*-Werte (Gelbanteil) aufwies. Bei dieser Gruppe zeigte sich darüber hinaus in allen untersuchten Muskeln die Tendenz zu einem etwas höheren glykolytischen Potenzial.
Insgesamt betrachtet erscheint es bemerkenswert, dass das hier praktizierte tierfreundlichere Haltungssystem die Tiere zu größerer Futteraufnahme anregt und somit eher geeignet ist, das Wachstumspotenzial von Mastschweinen voll auszuschöpfen. Angesichts der damit verbunden Begleiterscheinungen (stärkere Schlachtkörperverfettung) muss dies jedoch nicht immer ein anzustrebendes Ziel sein.
Quelle: Kulmbach [ FISCHER ]