Fresenius-Fachtagung diskutierte Schwierigkeiten und Chancen hygienegerechter Lebensmittelproduktion

Nicht nur sauber, sondern rein – das galt nicht immer: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Desinfektion selbst unter Chirurgen ein Fremdwort, heute dagegen werden sogar antibakterielle Müllbeutel angeboten. Über Sinn und Unsinn mancher Hygienemaßnahmen lässt sich streiten – nicht so in der Lebensmittelproduktion: Hier gelten zu Recht zahlreiche Bestimmungen, die den Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken und minderwertiger Qualität schützen sollen. Doch wie klar sind diese Regelungen? Was ist bei der Umsetzung des „hygienic design“ beim Anlagenbau zu beachten? Wie lassen sich Produktionsabläufe optimieren und wie kommen Hygiene und Wirtschaftlichkeit zueinander? Mit diesen Fragen beschäftigten sich 19 Referenten auf der Fachtagung „Hygiene im Anlagenbetrieb“, zu der die Akademie Fresenius am 19. und 20. September nach Köln eingeladen hatte.

Fresenius-Fachtagung diskutierte Schwierigkeiten und Chancen hygienegerechter Lebensmittelproduktion

Nicht nur sauber, sondern rein – das galt nicht immer: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Desinfektion selbst unter Chirurgen ein Fremdwort, heute dagegen werden sogar antibakterielle Müllbeutel angeboten. Über Sinn und Unsinn mancher Hygienemaßnahmen lässt sich streiten – nicht so in der Lebensmittelproduktion: Hier gelten zu Recht zahlreiche Bestimmungen, die den Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken und minderwertiger Qualität schützen sollen. Doch wie klar sind diese Regelungen? Was ist bei der Umsetzung des „hygienic design“ beim Anlagenbau zu beachten? Wie lassen sich Produktionsabläufe optimieren und wie kommen Hygiene und Wirtschaftlichkeit zueinander? Mit diesen Fragen beschäftigten sich 19 Referenten auf der Fachtagung „Hygiene im Anlagenbetrieb“, zu der die Akademie Fresenius am 19. und 20. September nach Köln eingeladen hatte.

Das Lebensmittelrecht und die in Europa geltende Maschinenrichtlinie bilden für Produzenten und Anlagenbauer die Rahmenbedingungen für die hygienegerechte Lebensmittelproduktion. Hinzu kommen zahlreiche, spezifischere Normen und Leitlinien. Dennoch haben viele Betriebe Schwierigkeiten mit der Umsetzung.

Informationslücken im Hygienerecht

„Obwohl Hersteller und Verarbeitungsbetriebe von Lebensmitteln die rechtlichen Bestimmungen und Normen einhalten, gibt es zwei praktische Lücken: fehlende praktische Richtlinien und fehlende Schulung“, konstatierte Knuth Lorenzen (Tuchenhagen Dairy Systems) auf der Fresenius-Konferenz. Auch Matthias Balley und Dr. Peter Golz vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) sehen ein Informationsdefizit: „Die meisten gesetzlichen Vorgaben im EU-Hygienerecht sind nicht präzise genug, um daraus konkrete Konstruktionsdetails ableiten zu können.“ Organisationen wie der VDMA oder die EHEDG (European Hygienic Engineering & Design Group) entwickeln Dokumente, die Vorgaben erläutern und die Umsetzung von Anforderungen konkretisieren. „Vollaspetik, Semiaseptik, Saueraseptik, Clean, Ultraclean – das ist babylonisches Sprachgewirr“, kritisierten Balley und Golz. Um dem entgegenzutreten, habe der VDMA Abfüllmaschinen in fünf Hygieneklassen kategorisiert. Maßstab ist die hygienegerechte Ausstattung der Maschinen, deren technische Merkmale verglichen werden. Füllgüter können entsprechend zugeordnet werden: Für Speiseöl reicht beispielsweise eine Abfüllmaschine der Klasse I, ultrahocherhitzte Milch hingegen wird der höchsten Hygieneklasse V zugeordnet – mit weitreichenden Anforderungen an die Entkeimungsfunktionen und an das Kontrollsystem der Abfüllmaschine.

Optimierte Reinigung senkt Kosten

Die Reinigung der Produktions- und Abfüllanlagen ist ein erheblicher Kostenfaktor. Laut Marc Mauermann vom Fraunhofer-Anwendungszentrum Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik werden in der milchverarbeitenden Industrie durchschnittlich 15 Prozent der Maschinenarbeitszeit für die Reinigung aufgewendet. Über Oberflächenmodifikationen wie Kunststoffbeschichtungen, CVD/PVD-Beschichtungen und Nanokompositbeschichtungen können, so Mauermann, Produktablagerungen (Fouling) vermindert und Reinigungsintervalle verlängert werden. Außerdem bestehe durch Antihaftbeschichtung das Potenzial, die Reinigungszeit zu verkürzen.

Auch mit der richtigen Wahl des Reinigungsmittels lassen sich die Kosten senken. Miguel Àngel Prieto Arranz (ttz Bremerhaven) informierte auf der Fresenius-Fachtagung über die Einsatzmöglichkeiten von Ozon zur Desinfektion in der Lebensmittelindustrie. „Ozon ist ein effektives antimikrobielles Reinigungsmittel gegen Bakterien, Pilze und Viren. Der Einsatz von Ozon reduziert sowohl den Wasserverbrauch und die Abwasserproduktion als auch die Reinigungs- und Desinfektionszeiten“, so der Experte. Da Ozon bei niedrigen Temperaturen eingesetzt werde, seien auch die Energiekosten vergleichsweise gering. Außerdem zerfalle Ozon schnell zu Sauerstoff, ohne Rückstände zu hinterlassen. Laut Prieto eignet sich Ozon besonders in CIP-Anwendungen für Weinkellereien, Brauereien und Molkereien.

Dicke Luft: Das omnipräsente Kontaminationsrisiko

Verunreinigungen zu beseitigen, ist die eine Seite – genauso wichtig ist es, die Kontaminationswege zu erkennen. „Neben der Kontakt- und Schmierkontamination stellt die Luft ein zentrales Element bei Verkeimungsprozessen dar“, betonte Ralf Ohlmann (Just in Air GmbH). Unabhängig davon, ob Staubpartikel oder Aerosole durch Fenster und Türen in den Betrieb gelangen, ob Oberflächen verkeimen oder interne Keimherde entstehen – immer spiele das Medium Luft eine wesentliche Rolle in der Kontaminationskette: „Damit bietet sich mit der Fokussierung der Betriebsluftqualität ein sinnvoller Lösungsansatz zur Verbesserung der Betriebshygiene“, so Ohlmann. Bevor man allerdings zu Maßnahmen komme, die eine Verringerung des Luftkeimgehalts zum Ziel haben, müsse jeweils die spezielle Situation vor Ort analysiert und bewertet werden.

Schotten dicht: Reinraumproduktion

Ein Schwerpunkt auf der Fachtagung der Akademie Fresenius widmete sich dem Thema Reinraumproduktion. Prof. Gernod Dittel (Dittel Cleanroom Engineering) nannte den Schutz von Mensch und Produkt als Hauptargumente für die Reinraumtechnik: Durch die reduzierte Keimbelastung werden Schäden am menschlichen Organismus vermieden und Konservierungsstoffe eingespart; außerdem bleiben Prüfverfahren und -ergebnisse unbeeinflusst. Thomas Wollstein von der Gesellschaft Technische Gebäudeausrüstung im VDI gab einen Überblick über die technische Regelsetzung in der Reinraumtechnik und ging dabei insbesondere auf die Struktur und den aktuellen Stand der Rechtlinienreihe VDI 2083 ein. Wollsteins Vortrag verdeutlichte, wie komplex das Thema ist und wie wichtig zugleich Praxisrichtlinien, wie sie der VDI kontinuierlich herausgibt, für die Planung, den Bau, den Betrieb und die Qualitätssicherung reinraumtechnischer Anlagen sind.

Die nächste Tagung zum Thema findet im Vorfeld der „BRAU Beviale 2007“ am 13. November in Nürnberg statt. Titel der englischsprachigen Fachtagung: „The Essence of Aseptic Filling“. Informationen unter www.akademie-fresenius.de/getraenke.

Die Tagungsunterlagen mit den Skripten aller Vorträge der Fresenius Fachtagung können zum Preis von 250,- EUR zzgl. MwSt. bei der Akademie Fresenius bezogen werden.

Quelle: Dortmund, Köln [ af ]

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