Zwei kontroverse Studien
Quelle: 1. Journal of Animal Science 86 (2008), 730-737 2. European Food Research and Technology (2008), DOI 10.10007/s00217-007-0810-x- Online First.Das Thema „Intramuskulärer Fettgehalt bei Schweinefleisch“ wird in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten intensiv und kontrovers diskutiert. Fakt ist, dass bei den hierzulande üblichen Gebrauchskreuzungen nur noch Fettgehalte von etwa 1-1,5 % im Rückenmuskel zu finden sind. Das sei im Hinblick auf die sensorische Qualität viel zu wenig, sagen die Einen.
Zwei kontroverse Studien
Quelle: 1. Journal of Animal Science 86 (2008), 730-737 2. European Food Research and Technology (2008), DOI 10.10007/s00217-007-0810-x- Online First.Das Thema „Intramuskulärer Fettgehalt bei Schweinefleisch“ wird in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten intensiv und kontrovers diskutiert. Fakt ist, dass bei den hierzulande üblichen Gebrauchskreuzungen nur noch Fettgehalte von etwa 1-1,5 % im Rückenmuskel zu finden sind. Das sei im Hinblick auf die sensorische Qualität viel zu wenig, sagen die Einen.
Unbestritten gilt Fett gilt als Lösungsmittel spezifischer Aromakomponenten. Es sorgt auch für eine lockerere Struktur und erhöht gleichzeitig die Gleitfähigkeit des Bissens beim Kauen und Abschlucken. Dadurch entsteht ein angenehmeres Mundgefühl in Verbindung mit dem Eindruck höherer Saftigkeit und Zartheit. Skeptiker weisen jedoch darauf hin, dass eine deutliche Steigerung des IMF nur um den Preis eines – ökonomisch nicht vertretbaren – geringeren Magerfleischanteils zu haben sei, eine starke Marmorierung ernährungsbewusste Konsumenten eher abschrecke und dass vor allem die positive Beeinflussung des Genusswertes überschätzt werde. Vor allem die zum letztgenannten Punkt vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse haben tatsächlich noch keine eindeutige Klärung erbracht. So ist es verständlich, dass diese Thematik für die Fleischforschung nach wie vor aktuell bleibt. Auf zwei brandneue Untersuchungen – mit weiterhin widersprüchlichen Ergebnissen – soll näher eingegangen werden.
Die eine Arbeit wurde von P. J. RINCKER, J. KILLEFER, M. ELLIS, M. S. BREWER und F. K. McKEITH durchgeführt (Department of Animal Science, and Department of Food Science and Human, University of Illinois) und unter folgendem Titel, der die Kernaussage gleich vorwegnimmt, publiziert: Intramuscular fat content has little influence on the eating quality of fresh pork loin chops (Der intramuskuläre Fettgehalt hat wenig Einfluss auf die Essqualität von frischen Schweinerückensteaks).
Für die Untersuchung wurden an einem kommerziellen Schlachtbetrieb 290 Lachse nach sichtbarer Marmorierung so ausgewählt, dass mit der Stichprobe die gesamte an diesem Betrieb vorzufindende Variationsbreite erfasst werden konnte. Die Proben stammten von Tieren mit ähnlicher Genetik, die alle unter vergleichbaren Produktionsbedingungen gemästet und am selben Tag geschlachtet worden waren. Im Anschluss an eine siebentägige Vakuum-Reifung wurde neben anderen gängigen Qualitätsmerkmalen auch der intramuskuläre Fettgehalt (IMF) bestimmt. Nach dessen Werten wurden schließlich 150 Lachse so ausgesucht, dass in der nun verkleinerten Stichprobe der IMF über den Bereich von 1-8 % kontinuierlich und uniform verteilt war. Von diesen Rückenstücken wurden jeweils drei Scheiben im offenen Grill bis zu Kerntemperaturen von 62, 71 und 80 °C erhitzt und von einem trainierten, aus 6 Prüfpersonen bestehenden Testpanel hinsichtlich Zartheit, Saftigkeit, Aroma/Geschmack bewertet. An weiteren bis 71 °C gegrillten Scheiben wurden zusätzlich Scherkraftmessungen durchgeführt. Schließlich wurden noch 40 Proben, die 5 IMF-Klassen repräsentierten, für eine Verbraucherstudie ausgewählt.
Obwohl mit den hier verwendeten Fleischproben ein außerordentlich weiter IMF-Bereich abgedeckt war, konnten zwischen den Bewertungen des trainierten Testpanels und dem Fettgehalt nur sehr lose Zusammenhänge hergestellt werden. Die hierfür errechneten Bestimmtheitsmaße (R2) schwankten zwischen 0,01 und 0,13, was Korrelationskoeffizienten (R) von maximal 0,36 entspricht. Und dieses Ergebnis gilt grundsätzlich für alle hier einbezogenen Kerntemperaturen. Deren Erhöhung von 62 auf 71 und 80 °C führte jedoch erwartungsgemäß zu deutlich geringerer Zartheit und Saftigkeit, während, weniger erwartet, die Aromaeinstufungen weitgehend konstant blieben. Auch die Beziehung zwischen Scherkraft und IMF lag bei einem R2 von nur 0,1.
Nachdem schon geschulte Sensoriker keine nennenswerte Beeinflussung der Essqualität durch den intramuskulären Fettgehalt erkennen konnten, ist nun kaum noch anzunehmen, dass solche Effekte von weniger geübten Verbrauchern entdeckt würden. Immerhin zeigte sich bei Zartheit und Saftigkeit eine geringfügige Verschiebung von der niedrigsten zur zweithöchsten IMF-Klasse (IMF-Mittelwerte 1,6 bzw. 4,5 %). Auch das Prüfmerkmal „Öligkeit“ stieg leicht an. Dagegen blieb die Aromabewertung völlig unbeeinflusst.
Vor der Verkostung wurden den Teilnehmern auch Packungen mit Frischfleischproben jeder IMF-Klasse gezeigt. Auf die Frage, welche Rückensteaks sie bevorzugt kaufen würden, entschieden sich etwa 50 % der Testpersonen für solche aus der niedrigsten IMF-Klasse (< 1,7 %), obwohl alle vorgelegten Scheiben im Hinblick auf anhaftendes Fettgewebe einheitlich zugeschnitten waren. Die stark marmorierten Proben wurden häufig als heller, weniger mager und weniger akzeptabel im Gesamtbild eingestuft als die mit mittleren oder geringen Fettgehalten.
Etwa zeitgleich wurde diese Thematik auch von einer tschechischen Arbeitsgruppe des Department of Food Preservation and Meat Technology, Institute of Chemical Technology, Prag, aufgegriffen (J. JELENÍKOVÁ, P. PIPEK und M. MIYAHARA: The effects of breed, sex, intramuscular fat and ultimate pH on pork tenderness – Die Auswirkungen von Rasse , Geschlecht, intramuskulärem Fettgehalt und End-pH-Wert auf die Zartheit von Schweinefleisch).
Diese Arbeit, die sich neben einigen weiteren Aspekten vor allem mit den Zusammenhängen zwischen IMF und sensorischer Qualität befasst, wirkt verblüffend, weil sie gerade in diesem Punkt zu völlig anderen Ergebnissen kommt.
Von vier verschiedenen Rassen (Large White, Tschechisches Fleischschwein, Landrasse, Duroc) wurde jeweils eine Stichprobe von 20 Schlachtkörpern (10 Jungsauen, 10 Kastraten) gezogen. Die zu untersuchenden Fleischproben wurden vom hinteren Ende des Koteletts entnommen. Nach 7-tägiger Reifung wurden 2 cm dicke Scheiben (vakuumverpackt) für 45 Minuten im Wasserbad bei 80 °C erhitzt und entweder warm für eine sensorische Prüfung oder – nach 24-stündiger Kühlung – für die Scherkraftmessung verwendet.
Die bei diesem Versuchsmaterial vorgefundenen intramuskulären Fettgehalte ließen eine sehr deutliche genetisch bedingte Differenzierung erkennen. Mit einem Mittelwert von 5,05 % schnitt die Rasse Duroc erwartungsgemäß am besten ab. Es folgten Tschechisches Fleischschwein (3,88 %), Landrasse (3,36 %) und Large White (2,45 %). Diese Reihenfolge konnte nun – wenngleich nicht in allen Fällen statistisch gesichert – auch bei der Scherkraftmessung durch ansteigende Werte und der sensorischen Bewertung von Zartheit und Saftigkeit durch sinkende Punktzahlen nachvollzogen werden. So überrascht es nicht mehr, dass ungewöhnlich hohe Korrelationskoeffizienten (R) für den Zusammenhang zwischen IMF und Scherkraft (R = 0,88) bzw. Sensorikmerkmalen (Zartheit: R = 0,62, Saftigkeit: R = 0,86) errechnet wurden.
Dass sich im Gegensatz zu der zuerst referierten amerikanischen Studie in der tschechischen Arbeit nun so straffe Beziehungen zeigten, könnte zumindest teilweise durch eine Überlagerung mit anderen Rasseeffekten zu erklären sein. Es wurde nämlich auch eine enge negative Korrelation zwischen Scherkraft und pH1 (R = 0,81) gefunden. Dieses Merkmal, das die Geschwindigkeit des postmortalen Kohlehydratabbaus im Muskelgewebe widerspiegelt und damit als wichtiger Kennwert zur Beurteilung des PSE-Status gilt, zeigte ebenfalls deutliche Rassenunterschiede. So lag der pH1-Mittelwert bei Duroc mit 6,65 am höchsten und bei Large White mit 6,17 am niedrigsten.
So kann zusammenfassend festgehalten werden, dass der Genusswert von Schweinefleisch von mehreren, noch nicht in allen Facetten bekannten Faktoren bestimmt wird. Eine positive Beeinflussung durch den intramuskulären Fettgehalt ist zweifellos gegeben, doch scheint deren Intensität je nach genetischer Herkunft variabel zu sein.
Aus dem Mitteilungsblatt der Fleischforschung Kulmbach(2008) 47, Nr. 180 – Praxis-Informationen Seite 121 - Wir danken für die Genehmigung.
Das Mitteilungsblatt wird von der Förderergesellschaft für Fleischforschung in Kulmbach herausgegeben und kostenlos an die 740 Mitglieder versand. Die Fördergesellschaft setzt ansehnliche Mittel ein, die für die Forschungsarbeit der Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel (BfEL), Standort Kulmbach genutzt werden.
Mehr unter www.fgbaff.de
Quelle: Kulmbach [ FISCHER ]