Gefahr der Magersucht nicht unterschätzen
"Magersucht ist eine sehr ernste psychische Erkrankung", warnt Prof. Dr. Martina de Zwaan, Leiterin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen und Sprecherin des bundesweiten Forschungsverbundes zur Psychotherapie von Essstörungen. "Jede fünfte Patientin stirbt an den Folgen der Erkrankung", so Prof. de Zwaan. Mit der weltweit ersten Multicenter- Studie zur ambulanten Therapie soll Betroffenen mit Anorexia nervosa frühzeitig und wirksam geholfen werden. Die Studie, die neben Erlangen an bundesweit acht weiteren Zentren gestartet ist, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit über eine Million Euro bis Ende 2009 gefördert.
Gefahr der Magersucht nicht unterschätzen
"Magersucht ist eine sehr ernste psychische Erkrankung", warnt Prof. Dr. Martina de Zwaan, Leiterin der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung des Universitätsklinikums Erlangen und Sprecherin des bundesweiten Forschungsverbundes zur Psychotherapie von Essstörungen. "Jede fünfte Patientin stirbt an den Folgen der Erkrankung", so Prof. de Zwaan. Mit der weltweit ersten Multicenter- Studie zur ambulanten Therapie soll Betroffenen mit Anorexia nervosa frühzeitig und wirksam geholfen werden. Die Studie, die neben Erlangen an bundesweit acht weiteren Zentren gestartet ist, wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit über eine Million Euro bis Ende 2009 gefördert.
Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass fast jedes dritte Mädchen zwischen 11 und 17 Jahren Auffälligkeiten im Essverhalten zeigt. Die Magersucht selbst stellt die gefährlichste Form von Essstörungen dar.
Charakteristisch für diese Erkrankung ist ein ausgeprägtes, selbst herbeigeführtes Untergewicht. In Deutschland wird die Anorexia nervosa standardmäßig nach Richtlinienpsychotherapie behandelt. "Dies stellt eine gute Grundversorgung dar, aber Langzeituntersuchungen zeigen, dass es oft Schwierigkeiten bei der Genesung und Erkrankungsrückfälle gibt", erläuterte Prof. de Zwaan. Sie gehe davon aus, dass zwei spezifische Psychotherapieverfahren günstigere Erkrankungsverläufe und Therapieergebnisse erzielen.
Ziel der jetzt gestarteten groß angelegten Psychotherapiestudie ist es, die Wirksamkeit der beiden spezifischen Psychotherapieverfahren "kognitive Verhaltenstherapie" und "fokal psychodynamische Psychotherapie" im Vergleich zur bisher üblichen Standardbehandlung zu überprüfen. Das Hauptaugenmerk ist dabei auf die Gewichtsentwicklung (Body Mass Index, BMI) während des Therapieverlaufs gerichtet.
Für Betroffene ab 18 Jahren und BMI zwischen 15 und 18,5, die an der kostenlose Studie teilnehmen wollen, wurde am Uni-Klinikum Erlangen eine Hotline eingerichtet unter Tel: 09131/85-35927. Weitere Infos unter [www.psychosomatik.uk-erlangen.de].
Prognose für Genesung bei Magersucht ist bislang schlecht Die Magersucht selbst kommt zwar relativ selten vor (0,7 Prozent der Mädchen und 0,1 Prozent bei Jungen), aber die Prognose für eine vollständige Genesung ist schlecht. Nur zwischen 30 und 50 Prozent der Erkrankungen können vollständig geheilt werden. 20 Prozent der Betroffenen entwickeln eine chronische Form der anorektischen Symptomatik und bis zu ca. 20 Prozent versterben an den Folgen der Erkrankung. "Die Mangel- und Fehlernährung schlägt sich somit in der höchsten Todesrate aller psychisch bedingten Erkrankungen nieder und geht außerdem mit vielen ernsten körperlichen Komplikationen einher", sagte Prof. de Zwaan.
Der Gewichtsverlust wird meist durch eingeschränkte Nahrungsaufnahme, aber auch durch übermäßige sportliche Aktivität, selbst ausgelöstes Erbrechen oder den Gebrauch von Abführmitteln, harntreibenden Medikamenten (Diuretika) oder Appetitzüglern erreicht. Betroffene haben Angst vor einer Gewichtssteigerung und ihre Wahrnehmung der eigenen Figur ist gestört (Körperschemastörung). Der Körper wird trotz deutlicher Abmagerung als zu dick empfunden. Das Ausbleiben der Monatsblutung bei Frauen (Amenorrhoe) ist ebenfalls eine Folgeerscheinung der drastischen Gewichtsreduktion. Weitete typische Nebenwirkungen des gestörten Essverhaltens sind trockene Haut, Haarausfall, Veränderungen im Hormonhaushalt, Nieren- und Magen-Darm- Probleme, ein Absinken des Blutdrucks und Herzrhythmusstörungen.
Besonders schwerwiegend sind die Veränderungen der Elektrolytwerte im Blut. Neben den körperlichen Folgen leiden Betroffene häufig noch an weiteren psychischen Störungen wie Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen, Substanzmissbrauch sowie Persönlichkeitsstörungen, die eine erfolgreiche Behandlung erschweren.
Bisher gibt es keine größeren standardisierten Studien, die die Wirksamkeit spezifischer ambulanter Psychotherapieverfahren bei Anorexia nervosa untersucht haben. Dadurch ergibt sich die momentane Einzigartigkeit des Projektes. Die Studie wird seit Sommer 2007 bundesweit an Instituten in Bochum, Erlangen, Essen, Heidelberg, München, Münster, Tübingen, Freiburg, Ulm durchgeführt.
Vielversprechende Alternativen zur Standardtherapie Die gesamte Dauer der Studie liegt zwischen 13 und 15 Monaten. Es sollen insgesamt 237 Teilnehmerinnen für die Studie gewonnen werden.
Die Patientinnen werden zunächst sorgfältig über die Studie informiert. Es wird eine ausführliche Diagnostik zur Überprüfung der Ein- und Ausschlusskriterien durchgeführt. Sollten alle Bedingungen erfüllt sein, erfolgt die zufällige Zuteilung zu einer der drei Studienbedingungen "kognitive Verhaltenstherapie" (KVT), "fokal psychodynamische Psychotherapie" (FPT) und der üblichen Standardbehandlung "Treatment as usual" (TAU).
Für die Durchführung der beiden spezifischen Behandlungsverfahren KVT und FPT wurden in Zusammenarbeit mit Essstörungsexperten spezifische Behandlungsmanuale entwickelt. Die KVT bei Magersucht hat zwei Schwerpunkte: Zum einen zielt sie auf die Normalisierung des Essverhaltens und die damit verbundene Gewichtssteigerung bzw. Stabilisierung an, zum anderen werden assoziierte Problembereiche der Essstörung, wie z. B. mangelnde soziale Kompetenzen oder geringe Konflikt- und Problemlösefähigkeiten, bearbeitet. Die FPT hingegen konzentriert sich auf die Bearbeitung ungünstiger Beziehungsgestaltungen und die Beeinträchtigung der Emotionsverarbeitung. Von besonderer Bedeutung für den Behandlungserfolg wird hierbei die Arbeitsbeziehung zwischen Therapeut und Patient angesehen.
Die beiden spezifischen Interventionen KVT und FPT umfassen jeweils 40 ambulante Einzelsitzungen über einen Zeitraum von ca. zehn Monaten.
Die jeweilige Therapie wird nach vorgegebenen therapeutischen Richtlinien durchgeführt. Die Kosten für die Behandlung werden nicht wie bei der Standardbehandlung (TAU) über die Krankenkasse abgerechnet, sondern durch die Bundesforschungsministeriums-Förderung finanziert. Im Rahmen der Standardbehandlung werden die Teilnehmerinnen ausführlich über die allgemeinen ambulanten Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt, und es werden ihnen verschiedene Kontaktstellen für die Therapeutensuche vermittelt. Den Kontakt zu den verschiedenen Angeboten müssen die Patientinnen entsprechend der derzeitigen Versorgungssituation selbst herstellen.
Parallel zum therapeutischen Geschehen wird bei allen drei Behandlungsarmen zu mehreren Zeitpunkten (4 Monate bzw. 24. Sitzung, 10 Monate bzw. Therapieende, 13 Monate bzw. 3 Monate nach Therapieende) eine Verlaufsdiagnostik vorgenommen.
Eine Studienteilnahme ist nicht möglich bei aktuellem Missbrauch psychotroper Substanzen, regelmäßiger Einnahme von Neuroleptika, schweren psychiatrischen Erkrankungen und akuter Suizidalität. Als weitere Ausschlusskriterien gelten primär somatische Erkrankungen als Ursache des Untergewichts, schwerwiegende medizinische Komplikationen und Schwangerschaft. Auch eine bereits laufende Psychotherapie schließt die Teilnahme an der Studie "Anorexia nervosa treatment of our patients" (ANTOP) aus.
Quelle: Erlangen-Nürnberg [ FAU ]