Folgen der Agrarwende im Bereich Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel, Konsum und Ernährungskommunikation
Forschungsteam legt zweibändige Publikation über die Entwicklung des Biosektors seit der Agrarwende im Jahr 2001 vor. Die Forscher geben Empfehlungen, wie unerwünschten Nebenfolgen des boomenden Bio-Markts auf den einzelnen Ebenen der Akteurskette - von der Landwirtschaft über den Handel bis zu den Konsumierenden - gegengesteuert werden kann.
Folgen der Agrarwende im Bereich Landwirtschaft, Verarbeitung, Handel, Konsum und Ernährungskommunikation
Forschungsteam legt zweibändige Publikation über die Entwicklung des Biosektors seit der Agrarwende im Jahr 2001 vor. Die Forscher geben Empfehlungen, wie unerwünschten Nebenfolgen des boomenden Bio-Markts auf den einzelnen Ebenen der Akteurskette - von der Landwirtschaft über den Handel bis zu den Konsumierenden - gegengesteuert werden kann.
Seit der BSE-Krise zu Beginn des Jahres 2001 und der als Reaktion darauf ausgerufenen "Agrarwende" hat der Markt für Bioprodukte in Deutschland einen Boom erlebt: Allein im Jahr 2006 ist er um 15 Prozent gewachsen. Insgesamt hat sich die Branche stark aufgefächert:
Neben den klassischen Bioläden entstanden zunehmend Bio-Supermärkte.
Aber auch im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel, insbesondere bei Discountern wie zum Beispiel Aldi, Lidl, Norma oder Plus werden wachsende Umsätze mit Bio-Lebensmitteln erzielt. Dieser Bio-Boom wurde wesentlich durch die Einführung des staatlichen Biosiegels beschleunigt.
Die Entwicklung der letzten Jahre hatte jedoch nicht nur positive Auswirkungen. So ist seit einiger Zeit festzustellen, dass deutsche Produzenten die steigende Nachfrage nicht mehr bedienen können und daher zunehmend Bio-Rohstoffe aus dem Ausland importiert werden müssen. Insgesamt gewinnen so auch im Bio-Bereich die Strukturen und Mechanismen der konventionellen Lebensmittelerzeugung und -vermarktung an Gewicht. Nicht nur bei Produzenten, sondern auch bei den Konsumenten werden dadurch Fragen aufgeworfen: Wie geht es weiter mit dem deutschen Biolandbau? Oder: Ist die Qualität der angebotenen Produkte gewährleistet?
Der Forschungsverbund "Von der Agrarwende zur Konsumwende?" hat verschiedene Aspekte der jüngsten Entwicklungen untersucht und dabei auch exemplarische Studien zur Entwicklung des Öko-Landbaus in zwei ausgewählten Regionen Deutschlands - in der Großregion München sowie in Mecklenburg-Vorpommern - durchgeführt. In einer zweibändigen Buch- Publikation stellen die Wissenschafterinnen und Wissenschaftler nun die Ergebnisse vor. Zentrale Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten sind:
- "Bio" hat die gesellschaftliche Nische verlassen. Die neue Dynamik des Bio-Markts nötigt diesen Sektor jedoch zu ökonomischen Anpassungsstrategien und hat im Produktions- wie im Distributionsbereich eine Ausdifferenzierung von Betriebstypen, Vermarktungsformen und Handlungsmotiven zur Folge. Auch auf Seiten der Konsumenten fächern sich die Kaufmotive auf.
- Tendenzen der "Konventionalisierung" des Bio-Sektors gefährden die Glaubwürdigkeit der Produkte. Dazu trägt auch bei, dass das staatliche Biosiegel den Konsumenten nur unzureichend die spezifischen Qualitäten und den Zusatznutzen von Bio-Lebensmitteln vermittelt; dazu gehören neben der ökologischen Produktion auch der Tierschutz, die Förderung der regionalen Agrarwirtschaft oder die Landschaftspflege.
- Während der Handel mit Bioprodukten boomt, sind die Öko-Landwirte aufgrund der problematischen Einkommenssituation und der unklaren Zukunftsperspektiven im Rahmen der europäischen Agrarpolitik eher verunsichert. Auch der traditionelle Naturkosthandel unterliegt einem verstärkten Verdrängungswettbewerb.
"Dass sich der Markt in den letzten Jahren ausdifferenziert hat, beinhaltet aber auch Chancen, wenn sich diese ausdifferenzierten Strukturen durch Netzwerkbildung, verstärkte Beratung und ein bracheninternes Wertemanagement stabilisieren lassen", so der Leiter des Verbundprojektes, Prof. Dr. Karl-Werner Brand (MPS/TU München).
"Die alteingesessenen Anbieter in Landwirtschaft und Handel, welche die traditionellen Werte der Biobranche vertreten, können weiterhin die klassische Klientel bedienen, während neue Angebotsformen gleichzeitig dafür sorgen, dass sich der Biomarkt wirtschaftlich weiterentwickelt." Nach Auffassung des Forschungsteams ist dazu eine verstärkte Leitbild-Kommunikation notwendig, die eine Balance zwischen traditionellen Wertorientierungen und ökonomischen Anpassungszwängen in der Bio-Branche herstellt, die spezifischen Qualitäten und den gesellschaftlichen Zusatznutzen von Bio-Produkten überzeugend vermittelt und einen besseren Ausgleich schafft zwischen den Rahmenbedingungen des Öko-Landbaus und den Vorstellungen und Kauf- Motiven der Konsumenten. Die beiden Ergebnisbände liefern detaillierte Analysen und Vorschläge, wie dies am besten geschehen kann:
- Welche speziellen Beratungs- und Unterstützungsleistungen benötigen die verschiedenen Betriebstypen und Segmente des Bio-Markts.
- Wie können Konsumenten, die verschiedene biographische Umbruchsituationen erleben, für nachhaltige Ernährungsstile gewonnen werden.
- Welche Formen der gruppen- und situationsspezifischen Ansprache eignen sich dafür am besten.
Quelle: [ Karl-Werner Brand (Hrsg.) ]