BSE-Tests unter 24 Monaten sinnlos - zwischen 24 und 30 Monaten überprüfen - Qualität ist Chance der Fleischwirtschaft
Bei der gemeinsamen Jahrestagung von VdF und BVDF kündigte Renate Künast eine Überprüfung der momentanen BSE-Testpraxis an, bezeichnete die vom Handel (und Bärbel Höhn) immer noch geforderten Tests für junge Rinder als sinnlos und sprach der deutschen Fleischwirtschaft Mut zu: Rede der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate KünastAnlass:
Jahrestagung Verband der deutschen Fleischwirtschaft e.V. und des Bundesverbandes der deutschen Fleischwarenindustrie e.V.
BSE-Tests unter 24 Monaten sinnlos - zwischen 24 und 30 Monaten überprüfen - Qualität ist Chance der Fleischwirtschaft
Bei der gemeinsamen Jahrestagung von VdF und BVDF kündigte Renate Künast eine Überprüfung der momentanen BSE-Testpraxis an, bezeichnete die vom Handel (und Bärbel Höhn) immer noch geforderten Tests für junge Rinder als sinnlos und sprach der deutschen Fleischwirtschaft Mut zu:Rede der Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast
Anlass:
Jahrestagung Verband der deutschen Fleischwirtschaft e.V. und des Bundesverbandes der deutschen Fleischwarenindustrie e.V.
Termin:
07. Mai 2004
Ort:
Berlin, Hotel InterConinental
Thema:
BSE und die Folgen _ wie haben wir es ge-schafft, Vertrauen wiederherzustellen, wie schaffen wir es, Vertrauen zu sichern
Sehr geehrter Herr Köhne!
Sehr geehrter Herr Härtl!
Sehr geehrter Herr Frau Roth Behrendt
Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wenn Sie in diesen Tagen die Zeitungen aufschlagen finden Sie überall brennende Fragen:
Wie entwickelt sich der deutsche Fleischmarkt. Wohin gehen die Preise? Sind wir gut aufgestellt in der EU 25?
Wer die Feierlichkeiten im Rahmen der EU-Erweiterung am letzten Wochenende gese-hen oder erlebt hat, der hat gespürt, wie viel Zuversicht und Hoffnung in dieses historische politische Haus der 25 Staaten gesetzt werden.
Sie als Unternehmerinnen und Unternehmer fragen sich natürlich auch:
Welche Folgen bringt die zweite historische Komponente, die ökonomische Erweiterung: Mit 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern entsteht hier der größte Binnenmarkt der Welt. Ich sage bewusst "entsteht", denn dieser Markt steht erst am Anfang seiner Entwicklung. Wer jetzt die richtigen Angebote und Konzepte hat, der wird morgen vorne sein. Ich weiß, dass die deutsche Landwirtschaft und der deutsche Fleischwirt-schaft da ein wichtiges Wörtchen mitreden werden.
Bevor ich aber richtig einsteige in das Thema, möchte ich zunächst noch meine Glückwünsche überbringen. Herr Härtl, Sie haben vor wenigen Wochen das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.
In der Begründung heißt es, dass Sie sich in beispielhafter Weise um die Landwirtschaft und die Fleischqualität verdient gemacht haben. Dass Sie sich
- für gleichmäßige Wettbewerbsbedingungen in Deutschland und der EU
- für einheitliche Hygienestandards und
- einen stufenübergreifenden Qualitätsverbund eingesetzt haben.
- Darüber hinaus sind Sie in der Aus-, Fort- und Weiterbildung
- und auch in der Wissenschaft engagiert.
Herr Härtl,
meinen herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung! Das sind genau die Qualitäten, die auch die Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen! Seit BSE gilt das mehr denn je!
Meine Damen und Herren,
Sie alle wissen es aus Ihrer eigenen Erfahrung: Der Fleischmarkt hat sich seit BSE zu einem ausgesprochenem Vertrauensmarkt entwickelt.
Für die Fleischwirtschaft hatte BSE verheerende, ja existenzbedrohende Ausmaße. Aber auch heute spüren wir noch die Nachwehen der BSE-Krise:
Wir müssen für die Fleischpreise seit einigen Jahren fast schon von Skandalhopping sprechen, mit Einbrüchen und Erholungen wie in heißen Börsenzeiten.
Und BSE hat weite Kreise gezogen. Plötzlich war da Angst bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern und eine neue Frage: Ist das, was ich esse überhaupt noch sicher?
Seitdem ist viel passiert.
Zunächst hatte der Schutz der Menschen absolute Priorität. Wir haben dem gesundheitlichen Verbraucherschutz einen höheren Stellenwert eingeräumt und ihn auf ein neues Fundament gestellt - national und europaweit.
Die Bundesregierung hat die Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche nicht im Alleingang getroffen. Wir haben damals vielmehr deutlich gemacht, dass die Neuorganisation der Lebensmittelsicherheit von allen Akteuren der Lebensmittelkette getragen werden muss.
Das magische Sechseck war Ausdruck dieser neuen Politik.
Wir haben damals die politischen und institutionellen Rahmenbedingungen dafür geschaffen, dass die Anzeichen für eine Krise früher erkannt und die notwendigen Maßnahmen des Krisenmanagements schneller eingeleitet werden können.
Meine Damen und Herren,
Hauptaufgabe ist, das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in den Markt wieder zu bewahren! Eine ganz wesentliche Forderung war und ist deshalb, mehr Transparenz für die Kon-sumenten zu schaffen, und zwar auf jedem Teil der Produktionskette, angefangen auf den Feldern und in den Ställen, über die Weiterverarbeitung bis hin zum Handel.
Gerade im Bereich der Kontrollen hat sich einiges getan und ich möchte das hier einmal deutlich betonen: Nicht zuletzt dank Ihrer Unterstützung!
Wie wir künftig mit den BSE-Schnelltests verfahren, wird in den nächsten Monaten zu diskutieren sein. Es geht um zwei Fragen:
- Machen Tests unter 24 Monaten Sinn?
- Kann die Altersgrenze bei den BSE-Tests für Schlachtrinder auf die EU-weit geltenden 30 Monate heraufgesetzt werden?
Zur ersten Frage möchte ich betonen, dass mein Haus und die Wissenschaftler, die sich mit der BSE-Testung befassen, hier wiederholt und eindeutig Stellung genommen ha-ben. Das Testen von Tieren unter 24 Monaten bringt angesichts der Empfindlichkeit heute verfügbarer Tests keinen Erkenntnisgewinn und keinen Zugewinn an Verbraucherschutz.
Die Entscheidung, solche Tests freiwillig weiter durchzuführen oder es zu lassen, ist eine Entscheidung, die die Wirtschaft selbst treffen muss.
Die Frage, ob Schlachttiere ab einem Alter von 24 oder 30 Monaten getestet werden, hat dagegen eine andere Dimension. Hier kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass mit den derzeit verfügbaren Tests - auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist - ein positives Tier gefunden wird.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung kommt zu dem Schluss, ich zitiere: "dass sich beim Wegfall der BSE-Tests bei Schlachtrindern zwischen 24 und 30 Monaten das Infektionsrisiko für den Verbraucher vermutlich in sehr geringem, aber nicht in Zahlen auszudrückendem Umfang erhöht."
Meine Damen und Herren,
Lassen Sie uns die wissenschaftlichen Ergebnisse sorgfältig prüfen und bewerten. Ab Anfang 2005 ist davon auszugehen, dass Rinder, die bei der Schlachtung nicht älter als 30 Monate sind, nicht mehr mit BSE-Erregern kontaminierten Futtermitteln ernährt wurden. Dies müsste sich im Verlauf des Jahres 2005 in der BSE-Statistik niederschlagen. Aus meiner Sicht spricht viel zu diesen Tieren sichere und aktuelle Zahlen abzuwarten, bevor die Entscheidung für eine Veränderung fällt.
Ich werde diese Frage in naher Zukunft mit unseren Forschungsanstalten nochmals ausführlich erörtern, bevor ich einen Vorschlag mache, wie es nach dem 1.1.2005 weitergeht.
Noch einmal: Wir sollten die Sicherheit und das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher in unser aller Interesse nicht unnötig aufs Spiel setzen. Denn Vertrauen ist der größte Marktvorteil.
Meine Damen und Herren,
über den Gesundheitsschutz hinaus liegt eine weitere große Aufgabe vor uns:
Wir müssen es schaffen, dass die Menschen die Lebensmittel wieder als "Mittel zum Leben" wertschätzen.
Wir versuchen dieses Ziel alle gemeinsam mit ehrgeizigen Hygiene- und Kontrollvorschriften zu erreichen. Aber das reicht sicher noch nicht. Es kommt auch darauf an, den Menschen wieder zu vermitteln, dass die Wertschöpfungskette im Lebensmittelbereich tatsächlich einen Wert schöpft.
Konkret: Das Bild von der Lebensmittelproduktion hängt schief. Landwirtschaft ist heute für viele Menschen synonym für hohe Subventionen, Marktfremdheit und Überschussproduktion.
Dieses Bild gehört zurecht gerückt. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik ist dazu das richtige Instrument. Denn mit den neuen Fördergrundsätzen können nun auch Leistungen belohnt werden, die einen gesellschaftlichen Wert und in den Augen der Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger einen hohen Stellenwert haben: Z.B. den Tier- und Umweltschutz, die Landschaftspflege, alternative Rohstoffe und Energiequellen.
Deshalb brauchen wir diese Agrarreform. Und deshalb ist sie ohne Alternative. Natürlich wird das Auswirkungen haben, auch auf den Fleischmarkt:
- Besonders im Rindfleischbereich wird es voraussichtlich zu einem Strukturwandel kommen: Das neue, auf Wettbewerbsfähigkeit ausgerichtete Prämiensystem wird mittel- und langfristig zu einem Rückgang der Rinderhaltung in Deutschland führen. Die Einschätzungen hierüber gehen jedoch weit auseinander. Während unsere Wissenschaftler langfristig einen Rückgang zwischen 15 und 20 % erwarten, geht der Markt im Moment in die andere Richtung. Hauptgrund für diese Reaktion ist, dass sich die Landwirte vor der Einführung der Entkopplung eine gute Ausgangsposition sichern wollen. Mittel- bis langfristig erwarten wir durch eine stärkere Orientierung am Markt jedoch einen Rückgang der Erzeugung. Natürlich wird sich mit dem neuen Fördersystem vieles verändern.
- Die Wettbewerbssituation für die Schweinehaltung wird sich voraussichtlich eher verbessern, auch wenn es bei dem Auf- und Ab des Schweinezyklus bleiben wird.
Ich möchte hier noch einmal eindringlich um Ihre Unterstützung für diese Reform werben. Die Agrarreform ist ein Paradigmenwechsel, der ohne Alternative ist. Weil mit der Agrarreform die Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft gesichert wird. Jetzt können diejenigen Bäuerinnen und Bauern belohnt werden, die Klasse statt Masse wollen.
Die Agrarreform schafft:
- mehr Gerechtigkeit in der Agrarförderung,
- mehr Lebensmittelsicherheit, Umwelt- und Tierschutz,
- mehr Planungssicherheit und
- bringt die Landwirtschaft in die Mitte der Gesellschaft zurück - und da gehört sie schließlich hin!
Die Agrarreform macht einen großen Schritt hin zu mehr Wettbewerbsfähigkeit.
Und für Deutsachland ist klar: Den Wettbewerb um das billigste Fleisch werden wir nicht gewinnen können.
Aber: Den Wettbewerb um das beste Fleisch - den können wir gewinnen!
Auch wenn der Fleischverzehr hierzulande noch leicht rückläufig ist, weltweit werden in den nächsten Jahren neue Märkte für qualitativ hochwertiges Fleisch entstehen:
- Ich denke da zum einen an den europäischen Markt. Denn mit wachsendem Wohlstand und wachsende Kaufkraft in diesen Ländern wird auch eine wachsende Nachfrage nach Lebensmittelprodukten aus dem Premiumbereich einhergehen.
- Ich denke dabei besonders natürlich auch an den chinesischen Markt. Der Bundeskanzler hat noch diese Woche zusammen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten das Ziel bekräftigt, das deutsch-chinesische Handelsvolumen bis zum Jahr 2010 auf 100 Milliarden Euro zu verdoppeln.
Ich selbst werde im Herbst nach China reisen und mich dort auch persönlich für die Aufhebung der des Importverbots für deutsches Fleisch einsetzen.
Meine Damen und Herren,
im deutschen Fleischmarkt steckt Potenzial. Egal ob für Steaks, Braten oder Convenience-Produkte, was zählt ist die Qualität.
Sie haben den Qualitätsvorsprung. Nun kommt es darauf an, diesen Vorsprung zu nutzen. Und mit Ihrer Qualität zu werben.
Ein Mehr an Einsatz, an Engagement, an Leistung zahlt sich aus. Es kommt heute mehr denn je darauf an, die Verbraucherinnen und Verbraucher zu überzeugen und für Ihre Produkte zu gewinnen.
Wer seine Produkte verkaufen will, muss den Verbraucherinnen und Verbrauchern vermitteln, dass sie Mehr bekommen. Dieses "Mehr", meine Damen und Herren, ist und war für die deutsche Fleischwirtschaft die Qualität!
Quelle: Berlin [ bmvel ]