In einer Presseerklärung behauptet der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv) zum Beispiel, "eine regionale Spezialität muss nicht unbedingt aus der Region kommen." Grundsätzlich ist diese Aussage zwar richtig, da der Begriff nicht geschützt ist, führt aber trotzdem in die Irre.
Dr. Thomas Schulte-Beckhausen, Geschäftsführer des Deutschen Instituts zum Schutze geografischer Angaben Köln, zur Presseerklärung des vzbv anlässlich der Grünen Woche in Berlin [hier]In einer Presseerklärung behauptet der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände (vzbv) zum Beispiel, "eine regionale Spezialität muss nicht unbedingt aus der Region kommen." Grundsätzlich ist diese Aussage zwar richtig, da der Begriff nicht geschützt ist, führt aber trotzdem in die Irre.
Wenn die regionale Spezialität als geschützte geographische Angabe (g.g.A.) oder geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) in das von der EU geführte Register eingetragen ist, sind je nach Bezeichnung bestimmte Herstellungsschritte nach den Vorgaben der einschlägigen Verordnung an die Region gebunden. Bei der g.g.A. besteht mindestens eine Verbindung zwischen dem Herkunftsgebiet und einer der Produktionsstufen. Das bedeutet, dass das Produkt entweder in der betreffenden Region erzeugt und/oder hergestellt und/oder verarbeitet wird. Bei der g.U. sind die Voraussetzungen im Vergleich zur g.g.A. deutlich verschärft. Denn für eine Eintragung in dieser Kategorie muss das Produkt in der genannten Region erzeugt, verarbeitet und hergestellt werden. Daher ist nicht jedes Produkt für eine g.U. geeignet, da nicht immer alle Rohstoffe in einer Region hergestellt werden können.
Bei den Nürnberger Lebkuchen kritisiert der vzbv, dass "die Zutaten, die teilweise durchaus in der Region vorhanden sind, aus allen Teilen der Welt stammen." Hier hat das Wörtchen "teilweise", dass im Gesamtzusammenhang untergeht, eine entscheidende Bedeutung. Die Zutaten sind eben nur "teilweise" in der Region vorhanden. Zitronat, Orangeat und ein Großteil der typischen Lebkuchen-Gewürze werden nicht im Raum Nürnberg produziert. Viel wichtiger ist hier das Qualitätsmerkmal: Da das Produkt eine geschützte geographische Angabe ist, werden Nürnberger Lebkuchen nach genau definierten Qualitätskriterien hergestellt. Sie haben zum Beispiel vergleichsweise hohe Anteile an Nüssen oder Mandeln.
Als weiteres Beispiel führt der vzbv unter anderem Schwarzwälder Schinken, der als g.g.A. in das Schutzregister der EU eingetragen ist. Zu Schwarzwälder Schinken heißt es in der Presseinformation: "Da Baden-Württemberg kein klassisches Schweinezuchtgebiet ist, stammt ein Teil der Schweinekeulen aus dem Verbraucher unbekannten Regionen der EU. Lediglich die Verarbeitung findet im Schwarzwald statt." Das ist zwar richtig, aber die g.g.A. "Schwarzwälder Schinken" darf für einen Schinken nur verwendet werden, wenn das verarbeitete Schweinefleisch hohen Qualitätsansprüchen genügt. Nachzulesen sind diese in der Spezifikation, die bei jedem Antrag erstellt werden muss. Entscheidend ist aber vielmehr, dass auf dem Etikett nicht "Schwarzwälder Schweinefleisch" sondern "Schwarzwälder Schinken" steht, was sich eindeutig auf die Verarbeitungsmethode bezieht. Denn hergestellt wird der Rohschinken ausschließlich nach traditionellem Verfahren. Die kalte Räucherung mit Nadelhölzern aus dem Schwarzwald gibt dem Schinken sein typisches Aroma. Der Verbraucher kann also sicher sein, dass Schwarzwälder Schinken immer den gleichen Qualitätsstandards, die im Übrigen genau definiert sind, und der typischen geschmacklichen Note entspricht. Von Irreführung kann hier also keine Rede sein.
Ebenso eindeutig ist das Beispiel Lübecker Marzipan. Herkömmliches Marzipan darf in Deutschland zur Hälfte aus Marzipanrohmasse und zur anderen Hälfte aus Zucker bestehen. Bei Lübecker Marzipan kommt mindestens 70 Prozent Rohmasse ins Endprodukt. Umfragen haben gezeigt, dass der Verbraucher unter dem Begriff Lübecker Marzipan ein Produkt erwartet, das in Lübeck hergestellt wird und zwar nach einer bestimmten Rezeptur und Qualität. Dies wird durch die Verwendung der g.g.A. "Lübecker Marzipan" gewährleistet.
Die EU-Bezeichnung "geschützte geographische Angabe" ist also alles andere als Verbrauchertäuschung. Im Gegenteil: Sie sichert die Qualität der Produkte und gibt nicht nur dem Konsumenten Orientierung, sondern schützt auch die Hersteller vor Plagiaten. Diesen Schutz abzuschaffen, so wie es der vzbv fordert, würde insbesondere auch den Interessen der Verbraucher zuwiderlaufen. Denn dann könnte der Schwarzwälder Schinken künftig auch in Spanien, Australien oder China hergestellt werden. Ob der Verbraucher damit eine bessere Orientierung, vor allem qualitativ aber hochwertigere Produkte bekommt, ist stark zu bezweifeln.
"Indirekt erstreckt sich somit der Imageschaden, den ein Produkt durch irreführende oder täuschende Auskünfte erleidet, auch auf redliche Anbieter und Produzenten, die ihre Ware 'authentisch' produzieren und ausloben", schreibt der vzbv. Das ist absolut richtig. Und genau aus diesem Grund haben Schutzgemeinschaften für ihre Produkte bei der EU "geschützte geografische Angaben" oder "geschützte Ursprungsbezeichnungen" eintragen lassen. Sicherlich ist der Informationsbedarf - auch in Bezug auf die verschiedenen Bezeichnungen - noch lange nicht ausgeschöpft. Doch statt Halbwahrheiten zu verkünden und damit die Unsicherheit der Konsumenten zu schüren, wäre es sinnvoller gewesen, wenn der vzbv in Zusammenarbeit mit den Schutzgemeinschaften und Marketingverbänden den Verbraucher nicht nur selektiv, sondern umfassend aufgeklärt hätte. Schließlich gilt es, die Konsumenten in ihrem Qualitätsbewusstsein zu stärken statt zu verunsichern.
Quelle: Köln [ ots ]