Verbraucher zahlen Millionen zu viel - Seehofer schweigt - Lob für NRW-Ministerin
In vielen Produkten ist weniger drin, als draufsteht. Zur Fußball-WM ein besonderes Thema: Bei Bier ist im Schnitt jede zehnte Flasche deutlich unterfüllt. Dies geht aus den heute vom vzbv veröffentlichten Zahlen der bundesweiten Füllmengenstatistik 2004 des Bundeswirtschaftsministeriums hervor. Danach enthalten sechs Prozent der Produkte im Mittel weniger Inhalt als auf der Verpackung angegeben. Bei Verpackungen mit schwankenden Gewichtsangaben wie zum Beispiel abgepacktes Gemüse oder Fleisch sind die Abweichungen sogar so groß, dass jedes siebte bis achte Produkt gar nicht hätte verkauft werden dürfen. Das Frustrierende: Die Behörden wissen, welche Anbieter zu wenig abfüllen, teilen dies aber nicht mit.
Verbraucher zahlen Millionen zu viel - Seehofer schweigt - Lob für NRW-Ministerin
In vielen Produkten ist weniger drin, als draufsteht. Zur Fußball-WM ein besonderes Thema: Bei Bier ist im Schnitt jede zehnte Flasche deutlich unterfüllt. Dies geht aus den heute vom vzbv veröffentlichten Zahlen der bundesweiten Füllmengenstatistik 2004 des Bundeswirtschaftsministeriums hervor. Danach enthalten sechs Prozent der Produkte im Mittel weniger Inhalt als auf der Verpackung angegeben. Bei Verpackungen mit schwankenden Gewichtsangaben wie zum Beispiel abgepacktes Gemüse oder Fleisch sind die Abweichungen sogar so groß, dass jedes siebte bis achte Produkt gar nicht hätte verkauft werden dürfen. Das Frustrierende: Die Behörden wissen, welche Anbieter zu wenig abfüllen, teilen dies aber nicht mit.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband rief Bundesverbraucherminister Seehofer zum Eingreifen auf: "Horst Seehofer hat bisher geschwiegen: Jetzt muss er beim Verbraucherinformationsgesetz nachlegen," sagte vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller. Verbraucher hätten einen Anspruch, die Namen derjenigen Unternehmen zu erfahren, die Verpackungen systematisch zu gering befüllen.
"Es ist ein seit Jahren andauernder Skandal: Viele Unternehmen kassieren zu Unrecht, ohne Sanktionen befürchten zu müssen", ärgert sich die vzbv-Chefin. Der Misstand zu gering befüllter Verpackungen sei so alt wie bekannt. Dennoch sei bisher nichts geschehen. Für eine saubere Abfüllpraxis fehle derzeit jeglicher Anreiz. Mit dem geringen Kontrollumfang und einer Bußgeldhöhe von höchstens 10.000 Euro sei kein Abschreckungseffekt verbunden.
Der vzbv begrüßt die Initiative von NRW-Wirtschaftsministerin Christa Thoben zur Verschärfung der Bußgeldvorschriften. Thoben hatte heute schärfere Sanktionen für diejenigen gefordert, die es mit dem Eichstrich und der Waage nicht genau nehmen. "Der zuständige Minister Michael Glos und sein Parteifreund Horst Seehofer sollten sich hier ein Beispiel nehmen", so Edda Müller. Mit ihrer Zurückhaltung beim Vorgehen gegen unterfüllte Packungen schadeten sie Verbrauchern und der Mehrzahl der ehrlichen Anbieter.
EU-Recht: Gewichtsangabe muss nur "im Durchschnitt" stimmen
Der Unterfüllung wird durch europäisches Recht Vorschub geleistet. Danach müssen Verpackungen nur "im Durchschnitt" korrekt befüllt sein. Abweichungen nach unten sind bei einzelnen Verpackungen legal. Dies erschwert die Arbeit der Eichbehörden erheblich, die zur Ermittlung der Durchschnittswerte erst Hunderte von Einzelpackungen prüfen müssen. Außerdem entspricht es längst nicht mehr dem technologischen Fortschritt: Verpackungsanlagen sind heute so genau, dass Abweichungen technisch nahezu vollständig ausgeschlossen werden können.
Für ein wirksameres Vorgehen gegen Betrug beim Befüllen fordert der vzbv:
- im neuen Verbraucherinformationsgesetz muss eine Auskunftspflicht der Eichbehörden ausdrücklich verankert werden,
- die Einführung des Mindest- statt des Mittelwertprinzips: Was drauf steht, muss in jedem Fall auch mindestens drin sein,
- schärfere Sanktionen und die Abschöpfung der Unrechtsgewinne bei systematisch unterfüllten Verpackungen,
- mehr personelle und finanzielle Kapazitäten der Eichbehörden,
- ein Ende der Diskussionen um eine Privatisierung des Mess- und Eichwesens.
Verbraucherschutzindex: ein Kontrolleur auf 100.000 Einwohner
Der vzbv kritisierte die geringe Zahl staatlicher Kontrollen und die mangelnde politischen Unterstützung der Mess- und Eichämter. "In einem einzigen Supermarkt gibt es rund 4.000 verschiedene Produkte. Die Zahl von 47.000 Kontrollen in ganz Deutschland ist deswegen entschieden zu wenig", so Edda Müller. Defizite der personellen Ausstattung hatte kürzlich auch der Verbraucherschutzindex 2006 zu Tage gefördert. So kontrollieren maximal drei Mitarbeiter pro 100.000 Einwohner etwa die Genauigkeit von Messgeräten oder die Richtigkeit der Mengenangaben auf Fertigverpackungen. Lediglich in zwei Bundesländern lag die Zahl der Füllmengenkontrollen bei Fertigverpackungen bei mehr als fünf Stichproben pro 10.000 Einwohner.
Jeder zehnte Brauer füllt zu wenig in die Flasche
Die jetzt vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichten Zahlen fassen alle Ergebnisse der Kontrollen auf Länderebene im Jahr 2004 zusammen - sie bestätigen ein seit Jahren gleichbleibendes Bild.
Trauriger Spitzenreiter der aktuellen Statistik ist Speiseöl. Hier ist durchschnittlich in jedem fünften Produkt weniger drin, als draufsteht. Weitere Beispiele, in denen jedes siebte bis zehnte Produkt zu wenig befüllt war: Spirituosen, Milch und Milcherzeugnisse, Fischprodukte, süßer Brotaufstrich, Lacke, Pflegemittel oder Blumenerde. Vielleicht bewirke in Zeiten der Fußball-WM aber auch ein anderes Beispiel ein Umdenken: So füllt auch etwa jeder zehnte Bierproduzent im Mittel zu wenig Gerstensaft in die Flasche.
Relikt aus alten Zeiten: Die Fertigpackungsverordnung
Derzeit müssen laut Fertigpackungsverordnung, die auf das Jahr 1972 zurückgeht, die Unternehmen die auf der Packung angegebene "Nennfüllmenge" lediglich "im Mittel" einhalten. Zudem sind in Abhängigkeit von der Nennfüllmenge Abweichungen vom Nennwert von bis zu 18 Prozent (bei Waren von 5 bis 50 Gramm) gestattet. Zugleich finden die Kontrollen der Mess- und Eichbehörden weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die jährlich veröffentlichte Statistik zeigt lediglich, dass es bundesweit zu systematischen Unterfüllungen bei Fertigpackungen kommt. Wie viele Packungen jedoch insgesamt weniger als das angegebene Gewicht enthalten, wird in der Statistik nicht angegeben. Auch Angaben über die tatsächlich zu wenig abgefüllten Mengen fehlen vollständig.
Quelle: Berlin [ vzbv ]